Aus Sicht der Praxis und der Wissenschaft kann man nur hoffen, dass der EuGH die Vorlage zum Anlass für eine möglichst umfassende Klärung nimmt, welche auch die anderen mitgliedstaatlichen Vertragsscheidungsformen erfasst und präzise Kriterien für deren Einordnung aufstellt. Andernfalls werden sich mit einiger Wahrscheinlichkeit weitere Vorlageverfahren anschließen, insbesondere mit Blick auf die Notarscheidung.
In der Sache wäre es am besten, wenn der EuGH die mitgliedstaatlichen Vertragsscheidungsformen unter das Anerkennungsregime der Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO fasst. Nur eine verfahrensrechtliche Anerkennung verhindert hinkende Rechtsverhältnisse zuverlässig und schützt das Freizügigkeitsrecht und das berechtigte Vertrauen der betroffenen Personen in die unionsweite Geltung ihres Personenstands. Würde man die Scheidungsanerkennung dem autonomen Recht der Mitgliedstaaten überlassen, brächte dies erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich.
Der dogmatisch sauberste Weg besteht dann meines Erachtens in einer analogen Anwendung der Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO. Eine planwidrige Regelungslücke besteht, weil der Unionsgesetzgeber bei Erlass der Verordnung nicht an Vertragsscheidungen dachte, die seinerzeit in keinem Mitgliedstaat existierten. Und inhaltlich sowie funktional unterscheiden sich die neuen Vertragsscheidungen gar nicht so stark von den bisher üblichen Verfahrensscheidungen, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn auch gerichtliche oder behördliche Scheidungen ergehen bei Einvernehmen der Ehegatten weitgehend auf der Grundlage von deren Behauptungen, z.B. zur Dauer des Getrenntlebens, ohne dass eine vertiefte inhaltliche Prüfung stattfindet. Verfahrens- und Vertragsscheidungen sind EU-weit also durchaus inhaltlich vergleichbar. Zudem bietet der anerkennungsrechtliche ordre public-Vorbehalt die Möglichkeit, Scheidungen, bei denen ein Ungleichgewicht oder ein unfaires Zustandekommen offensichtlich wird, abzuwehren.
Allzu wahrscheinlich ist es aber nicht, dass sich der EuGH dieser Ansicht anschließen wird. Immerhin hat er im Kontext der EuErbVO die Gerichtseigenschaft polnischer Notare verneint und die von ihnen ausgestellten Erbnachweise nicht als gerichtliche Entscheidungen qualifiziert. Auch liegt es nahe, dass er aus dem Tätigwerden des Unionsgesetzgebers, der in der neuen Brüssel IIb-VO ein neues, eigenes Anerkennungsregime für Vertragsscheidungen geschaffen hat (dazu sogleich), folgert, dass der Gesetzgeber solche Scheidungen gerade nicht von der Vorgängerverordnung erfasst sieht.
Schließt der EuGH Vertragsscheidungen aus dem Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO aus, läge darin ein erhebliches Hemmnis für den freien Personenverkehr in Europa. Dann bleibt zu hoffen, dass die Mitgliedstaaten ihre nationalen verfahrensrechtlichen Anerkennungsmechanismen großzügig auslegen oder anpassen. Eine andere, in der Realität aber wenig aussichtsreiche Möglichkeit könnte darin bestehen, den zeitlichen Anwendungsbereich der neuen Art. 64 ff. Brüssel IIb-VO in die Vergangenheit zu strecken.