BGB § 164 § 167 § 329 § 670 § 1601
Leitsatz
1. Die Übernahme der Barunterhaltspflicht für ein im Rahmen einer Spermaspende gezeugtes Kind durch die Mutter stellt eine Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB dar und begründet einen Rückgriffanspruch des durch die Unterhaltsvorschusskasse in Anspruch genommenen Samenspenders gegenüber der Mutter aus § 670 BGB.
2. Erfolgt die Freistellung von der Unterhaltspflicht gegenüber dem Samenspender im Rahmen einer E-Mail-Korrespondenz über die Spermaspende, so bindet diese Vereinbarung nach den Grundsätzen der bewusst hingenommenen Anscheinsvollmacht die Kindesmutter auch dann, wenn sie die Korrespondenz über den von ihr eröffneten E-Mail-Account nicht persönlich geführt, aber bei einem anschließenden Treffen mit dem Samenspender dessen Vertrauen perpetuiert hat, sie sei eine der Frauen, mit denen er die E-Mail-Korrespondenz geführt habe.
3. Aus der Anerkennung der Vaterschaft kann nicht auf einen Verzicht oder einen Rücktritt von der Freistellungsvereinbarung geschlossen werden.
(red. LS)
OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.2.2023 – 13 UF 21/22 (AG Strausberg)
1 Aus den Gründen
Gründe: I. [1] Die Beteiligten streiten sich über die Freistellung des Antragstellers von der Barunterhaltsverpflichtung gegenüber dem im Wege einer Samenspende gezeugten gemeinsamen Sohn.
[2] Der Antragsteller hat im Februar 2012 auf der Internet-Seite "Spermaspender.de" seine Bereitschaft zu einer Spermaspende mit u.a. folgenden Angaben angeboten: "Ich habe keine finanziellen Interessen, nur sollte eurerseits die Bereitschaft bestehen, Unkosten zu übernehmen. Unterhalt möchte ich nicht zahlen. Ich möchte weder vorher noch nachher Kosten tragen müssen." Am 18.2.2012 um 13:29 Uhr wurde er durch den Administrator dieser Internetseite darauf aufmerksam gemacht, dass eine Interessenbekundung für ihn eingegangen sei. Um 14:28 Uhr schrieb er an die ihm von dem Administrator mitgeteilte E-Mail- Anschrift … @yahoo.de unter anderem: "Hallo ihr beiden, nein, ich verlange keine Gegenleistung. Allerdings möchte ich auch keine Unkosten haben und hätte gern Geld für anfallende Fahrtkosten. Da wir aber alle in B. wohnen, entfallen auch diese." Um 21:02 Uhr erhielt er von der o.g. E-Mail-Anschrift die Mitteilung: "Hallo C., vielen lieben für die ausführliche Antwort. Wir sind beide im öffentlichen Dienst angestellt und finanziell sehr gut abgesichert. Wie gesagt, wir haben auch schon einen kleinen Jungen über diese Methode bekommen." Am 19.2.2012 um 0:35 Uhr erhielt der Antragsteller von derselben Anschrift die Nachricht: "Hallo, nach einigen Überlegungen haben wir uns dazu entschlossen es mit der Bechermethode zu versuchen. Nun würden wir dich gern besser bzw. persönlich kennenlernen. Da wir unser erstes Kind auf dem natürlichen Weg bekommen haben, müssen wir uns erst mit der anderen Methode vertraut machen und auf den Eisprung warten. Was uns jedoch nicht daran hindert uns schon mit dir zu treffen. (…) Liebe Grüße I.-W. & Jo. …" Am selben Tag um 20:44 Uhr erhielt der Antragsteller die Nachricht: "Hallo C., anbei ein paar Bilder von uns. Auf dem ersten Bild ist unser zauberhaftes Wunschkind mit drauf. Wir werden morgen auf Arbeit klären, wann wir frei machen können. Liebe Grüße I.-W. & Jo. …" Um 20:56 Uhr schrieb der Antragsteller: "wer von Euch beiden soll denn das Kind bekommen? Ich könnte Euch, wie gesagt, nach Zeit und Ort entgegenkommen. C.", und um 22:56 Uhr schrieb er: "Hallo, nein, ganz im Gegenteil. Zwei Kinder von einem Frauenpaar entspricht meinen Idealvorstellungen."
[3] Im Verlauf der sich im Februar und März 2012 daran anschließenden Emails wurde ein persönliches Treffen vereinbart, das im Frühjahr 2012 im Café "F." in B. zwischen dem Antragsteller, der Antragsgegnerin, ihrem Sohn sowie den erstinstanzlich als Zeuginnen vernommenen I. S. und M. Wi. stattfand. Bei diesem Treffen erfuhr der Antragsteller, dass die Antragsgegnerin an der Spermaspende interessiert und mit Frau Wi. liiert, Frau I. S. hingegen eine ebenfalls an einer Spermaspende interessierte Bekannte der Antragsgegnerin sei. Zu einem späteren Zeitpunkt hat der Antragsteller dann telefonisch seine Bereitschaft zur Spermaspende gegenüber der Antragsgegnerin erklärt und sein Sperma in einem Becher der Antragsgegnerin in deren Wohnung übergeben. Der Antragsteller hat nach der Geburt des Kindes die Vaterschaft anerkannt.
[4] Erstmals im Mai 2013 forderte die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises … den Antragsteller zur Zahlung übergegangener Unterhaltsansprüche auf, nachdem die Antragsgegnerin Unterhaltsvorschuss für das Kind geltend gemacht hatte. Die Eltern des Antragstellers haben auf Zahlungsforderungen der Antragsgegnerin im Juni 2018 einen Betrag in Höhe von insgesamt 8.958,92 EUR auf den Unterhalt, den der Antragsteller dem Kind J. bis dahin schuldete, an die Antragsgegnerin gezahlt. Die Unterhaltsvorschusskasse hat im Zeitraum von 1.6.2019 bis einschließlich 31.8.2021 im Wege der Gehaltspfändungen beim Antragsteller einen Betrag in Höhe von insgesamt 12.213,96 EUR und f...