Bei der Darstellung der allgemeinen Grundsätze zur einstweiligen Anordnung (s.o. unter II. 2) wurde bereits darauf hingewiesen, dass das – von § 49 FamFG vorausgesetzte – dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden in Unterhaltssachen nicht erforderlich ist. Erforderlich sind dagegen Anordnungsanspruch (s.o. unter Ziff. II. 3) und Rechtsschutzbedürfnis (s.o. unter Ziff. II. 4). Im Übrigen sind die nachfolgend dargestellten Punkte von Bedeutung.
aa) Dauer
Durch eine einstweilige Anordnung kann der laufende Unterhalt ohne zeitliche Begrenzung zuerkannt werden, allerdings grundsätzlich nur für die Zeit ab Antragstellung. Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 FamFG besteht aber die Möglichkeit einer Befristung, was beim Kindesunterhalt z.B. wegen Beendigung der Ausbildung in Betracht kommen kann, beim Ehegattenunterhalt etwa aufgrund einer erforderlichen Ausweitung der Erwerbstätigkeit, z.B. aufgrund bevorstehender Scheidung oder eines Wechsels zum Wechselmodell, ebenso dann, wenn (z.B. aufgrund kurzer Ehedauer) nach glaubhaft gemachtem Vorbringen kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht.
Unterhalt für die Vergangenheit kann durch einstweilige Anordnung – ausnahmsweise – dann geltend gemacht werden, wenn der rückständige Betrag zur Begleichung von Schulden erforderlich ist, die der Bedürftige aufgrund fehlender Unterhaltszahlungen des Pflichtigen aufgenommen hat.
bb) Höhe
Das Gericht ist – anders als im Rahmen von § 49 Abs. 1 FamFG – nicht auf eine vorläufige Regelung beschränkt, sondern kann – zeitlich unbegrenzt – den vollen Unterhalt zusprechen. Für diese Ansicht spricht der Umstand, dass die Anordnung aufgrund des Wegfalls des Akzessorietätsgrundsatzes nicht mehr auf die Überbrückung einer Regelungslücke bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren beschränkt ist. Der Stellenwert der Anordnung wurde nach gesetzgeberischer Intention gestärkt, weil ein Hauptsacheverfahren möglichst überflüssig gemacht werden soll.
Bedenken gegen diese Auffassung ergeben sich aus den nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im summarischen Verfahren und dem reduzierten Stellenwert des Anordnungsverfahrens durch den dort fehlenden Anwaltszwang, schließlich auch aufgrund der – bewussten – Beschränkungen hinsichtlich Aufhebung, Änderung, Außerkrafttreten und Rechtsmitteln (s. dazu unter Ziff. III. 8b)).
Diese Umstände sprechen für eine Zurückhaltung in materiell-rechtlicher Hinsicht bei der Höhe des Anspruchs, auch wenn man angesichts der gesetzlichen Neuregelung die Höhe nicht mehr auf den Notunterhalt (Sozialhilfesatz) beschränken kann. In Fällen einer sich absehbar verringernden Bedürftigkeit, z.B. aufgrund steigender Erwerbsobliegenheit ab Rechtskraft der Scheidung, sollte von der Befristungsmöglichkeit nach § 56 Abs. 1 S. 1 FamFG Gebrauch gemacht werden.
Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung sind vom Stellenwert des geltend gemachten Anspruchs abhängig. So sollten beispielsweise beim Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind geringere, dagegen bei hohen Forderungen von Ehegattenunterhalt höhere Anforderungen gestellt werden. In Betracht kommt auch die Zuerkennung von Teil-Unterhalt bei Hinterlegung der zusätzlichen "Spitze".
Praxishinweis:
Der Unterhaltsgläubiger sollte sich um eine Darlegung bemühen, wonach die Notwendigkeit zur Zuerkennung des verlangten Betrages besteht und eine zeitlich unbegrenzte Bedürftigkeit gegeben ist.
Der Unterhaltsschuldner sollte nach Möglichkeit darlegen, dass die eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Anordnungsverfahren gegen die Höhe des verlangten Betrages sprechen und aufgrund absehbarer verringerter Bedürftigkeit eine Befristung des Anspruchs geboten ist.