Gegenüber den §§ 49 – 57 FamFG als den allgemeinen Vorschriften zur einstweiligen Anordnung (s. dazu oben unter Ziff. II. 1) ist § 246 FamFG lex specialis, und zwar für Unterhaltssachen ebenso wie in Bezug auf die Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses.
Aus Umfangsgründen sollen der Vorschussanspruch sowie die einstweilige Anordnung vor Geburt des Kindes (§ 247 FamFG) und bei Feststellung der Vaterschaft (§ 248 FamFG) hier nicht näher untersucht werden. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf die einstweilige Anordnung auf Unterhalt gemäß § 246 FamFG.
1. Grundsätze
Im Unterschied zu den allgemeinen Grundsätzen nach § 49 FamFG ist in Unterhaltssachen zu beachten, dass dort
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ein "dringendes Bedürfnis" nicht erforderlich ist und |
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eine mündliche Verhandlung gemäß § 246 Abs. 2 FamFG stattzufinden hat, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Beilegung des Verfahrens geboten erscheint, was gesetzgeberischer Vorgabe entspricht. |
Deshalb ist im Regelfall eine mündliche Verhandlung geboten. Durch die Regelung in § 246 Abs. 2 FamFG wollte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, dass in Unterhaltsverfahren im Vergleich zu anderen Verfahren ein geringeres Bedürfnis für eine Verfahrensbeschleunigung besteht. Die mündliche Verhandlung soll der Erörterung des Sach- und Streitstandes dienen und das Zustandekommen einer gütlichen Einigung erleichtern. Deshalb sollte von dem Regelfall der mündlichen Verhandlung nur in Ausnahmefällen, etwa bei sehr einfach gelagerten oder besonders eilbedürftigen Vorgängen, abgewichen werden.
2. Anwendungsbereich
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG kommt in allen Unterhaltssachen i.S.v. § 231 Abs. 1 FamFG in Betracht, also sowohl bei durch Verwandtschaft wie Ehe begründeten gesetzlichen Unterhaltspflichten als auch bei Ansprüchen nach § 1615l BGB oder § 1615m BGB. Es ist streitig, ob auch ein Auskunftsanspruch im Wege der einstweiligen Anordnung verfolgt werden kann; s. dazu unter Ziff. III. 4 b) aa) (2)).
3. Zahlung von Unterhalt
a) Grundlagen
Bei der Darstellung der allgemeinen Grundsätze zur einstweiligen Anordnung (s.o. unter II. 2) wurde bereits darauf hingewiesen, dass das – von § 49 FamFG vorausgesetzte – dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden in Unterhaltssachen nicht erforderlich ist. Erforderlich sind dagegen Anordnungsanspruch (s.o. unter Ziff. II. 3) und Rechtsschutzbedürfnis (s.o. unter Ziff. II. 4). Im Übrigen sind die nachfolgend dargestellten Punkte von Bedeutung.
aa) Dauer
Durch eine einstweilige Anordnung kann der laufende Unterhalt ohne zeitliche Begrenzung zuerkannt werden, allerdings grundsätzlich nur für die Zeit ab Antragstellung. Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 FamFG besteht aber die Möglichkeit einer Befristung, was beim Kindesunterhalt z.B. wegen Beendigung der Ausbildung in Betracht kommen kann, beim Ehegattenunterhalt etwa aufgrund einer erforderlichen Ausweitung der Erwerbstätigkeit, z.B. aufgrund bevorstehender Scheidung oder eines Wechsels zum Wechselmodell, ebenso dann, wenn (z.B. aufgrund kurzer Ehedauer) nach glaubhaft gemachtem Vorbringen kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht.
Unterhalt für die Vergangenheit kann durch einstweilige Anordnung – ausnahmsweise – dann geltend gemacht werden, wenn der rückständige Betrag zur Begleichung von Schulden erforderlich ist, die der Bedürftige aufgrund fehlender Unterhaltszahlungen des Pflichtigen aufgenommen hat.
bb) Höhe
Das Gericht ist – anders als im Rahmen von § 49 Abs. 1 FamFG – nicht auf eine vorläufige Regelung beschränkt, sondern kann – zeitlich unbegrenzt – den vollen Unterhalt zusprechen. Für diese Ansicht spricht der Umstand, dass die Anordnung aufgrund des Wegfalls des Akzessorietätsgrundsatzes nicht mehr auf die Überbrückung einer Regelungslücke bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren beschränkt ist. Der Stellenwert der Anordnung wurde nach gesetzgeberischer Intention gestärkt, weil ein Hauptsacheverfahren möglichst überflüssig gemacht werden soll.
Bedenken gegen diese Auffassung ergeben sich aus den nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im summarischen Verfahren und dem reduzierten Stellenwert des Anordnungsverfahrens durch den dort fehlenden Anwaltszwang, schließlich auch aufgrund der – bewussten – Beschränkungen hinsichtlich Aufhebung, Änderung, Außerkrafttreten und Rechtsmitteln (s. dazu unter Ziff. III. 8b)).
Diese Umstände sprechen für eine Zurückhaltung in materiell-rechtlicher Hinsicht bei der Höhe des Anspruchs, auch wenn ...