Schaut man sich die Leitlinien im Einzelnen an, fällt auf, dass sie unterschiedlicher nicht sein können:
- Einigkeit besteht lediglich darin, dass für den Berechtigten im 1. Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit besteht. Dies ist auch wegen der Orientierungsphase m.E. uneingeschränkt richtig. Das entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung.
Einigkeit besteht auch noch darin, dass entsprechend dem Gesetzestext bei Betreuung eines Kindes bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Der Basisunterhalt besteht gleichermaßen bei der Mutter des nichtehelichen Kindes und der geschiedenen Ehefrau des ehelichen Kindes nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.2.2007.
Der Gesetzgeber hätte die Möglichkeit gehabt, natürlich auch den anderen Weg zu wählen und den Betreuungsunterhalt der Mutter des nichtehelichen Kindes dem Geschiedenenunterhalt nach § 1570 BGB und dem Altersphasenmodell anzupassen. Dies hat der Gesetzgeber aus guten Gründen nicht gemacht, wobei das Bundesverfassungsgericht beide Möglichkeiten offen gelassen hat. Für die Zeit nach Vollendung des 3. Lebensjahres eröffnet das Unterhaltsänderungsgesetz Möglichkeiten, den Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils unter Billigkeitsgesichtspunkten zu verlängern, und zwar sowohl in § 1615l BGB als auch in § 1570 BGB. Hierbei sind zunächst die kindbezogenen Gründe zu erörtern, z.B. Krankheit, Behinderung, Entwicklungsstörungen. In diesem Rahmen sind auch die Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu erörtern.
In einer weiteren Stufe ist dann zu erörtern, ob elternbezogene Gründe gegeben sind, die aus dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu einer Verlängerung der Unterhaltspflicht führen.
- Viele Leitlinien wiederholen den Text aus der amtlichen Begründung zur Änderung des § 1570 BGB. Ein abrupter, übergangsloser Wechsel von der elterlichen Betreuung zur Vollzeiterwerbstätigkeit ist nicht erforderlich. Insofern ist ein abgestuftes Modell sinnvoll.
Ab Vollendung des 3. Lebensjahres gehen allerdings die Auffassungen sehr weit auseinander:
- Das OLG Hamburg sagt ganz deutlich, dass das bisher von der Rechtsprechung entwickelte Altersstufenmodell in dieser Form nicht mehr anzuwenden ist. Die Süddeutschen Leitlinien, die Leitlinien der Oberlandesgerichte Köln, Düsseldorf, Bremen, Hamburg, Berlin, Braunschweig, Oldenburg, Koblenz, Naumburg, Brandenburg, Rostock, Schleswig stellen den Einzelfall heraus und wollen offenkundig keine Wiederholung oder Neueinführung eines geänderten oder neuen Altersphasenmodells.
- Sehr ausführlich beschäftigt sich das OLG Hamm mit der Erwerbsobliegenheit, wobei es im Grunde genommen das alte Altersphasenmodell fortschreibt. Dies dürfte dem Gesetzestext nicht entsprechen. Ob man dieses Altersphasenmodell jetzt neues Altersphasenmodell nennt oder modifiziertes Altersphasenmodell, ist unerheblich. Es ist im Grunde genommen eine Fortsetzung des alten Modells – und dies will der Gesetzgeber gerade nicht. Alle diese Versuche, das Altersphasenmodell über die Zeit ab 1.1.2008 hinüberzuretten, sind mit dem Gesetzestext und der Begründung nicht zu vereinbaren.
- Das OLG Dresden sieht eine Erwerbsobliegenheit nur nach Maßgabe der Betreuungsbedürftigkeit und der zumutbaren Betreuungsmöglichkeit ab Vollendung des 3. Lebensjahres und eine Obliegenheit zur Vollerwerbstätigkeit in der Regel erst mit Vollendung des 14. Lebensjahres besteht.
Auch wenn sich in der Praxis unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ein neues Altersphasenmodell entwickeln sollte, wäre dies vom Gesetzgeber eindeutig nicht gewollt.
Es ist deshalb notwendig, stärker auf den konkreten Einzelfall und die tatsächlich bestehende verlässliche Möglichkeit der Kinderbetreuung abzustellen.
In keinem Fall sollte das viel zu starre Altersphasenmodell mit der Anknüpfung an das Alter des Kindes und die Zahl der Kinder fortgeführt werden.
Das Altersphasenmodell ist von der Rechtsprechung entwickelt worden, allerdings vom BGH nicht so aufgenommen worden, wie dies teilweise dargestellt wird. Der BGH war immer der Auffassung, dass zwar bestimmte Kriterien maßgeblich sind, insbesondere auch die ersten Grundschuljahre des Kindes von Bedeutung sind für die Frage der Erwerbsobliegenheit. Allerdings hat der BGH auch immer sehr deutlich gemacht, dass es sich um Einzelfälle handelt und die Umstände des Einzelfalls grundsätzlich eine Abweichung bedingen. Wer aber eine Ausnahme von der aus der Erfahrung abgeleiteten Regel in Anspruch nimmt, trägt für die Voraussetzung die Darlegungs- und Beweislast. Der langjährige Vorsitzende des 12. Zivilsenates Lohmann hat darauf hingewiesen, dass immer im Einzelfall zu entscheiden ist, insbesondere auch dann, wenn der Ehegatte neben der Kinderbetreuung schon vor der Trennung und Scheidung der Eheleute einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.
Insofern ist es in den letzten Jahren und Jahrzehnten durch die Oberlandesgerichte zu...