In § 1609 BGB n.F. hat der Gesetzgeber die minderjährigen sowie die privilegierten volljährigen Kinder in den 1. Rang und namentlich die Kinder betreuenden – auch nicht verheirateten – Elternteile in den 2. Rang eingestellt. Die erwünschte Vereinfachung der Unterhaltsberechnung stellt sich allerdings dann nicht ein, wenn zwei (oder auch mehr) Kinder betreuende Elternteile um den Betreuungsunterhalt konkurrieren. Diese neue Gleichrangigkeit gepaart mit der neueren Rechtsprechung des BGH führt vielmehr zu nicht unerheblichen, bisher nicht abschließend gelösten Berechnungsproblemen. Der BGH hat in einer noch zum alten Recht ergangenen Entscheidung ausgeführt, dass es sich auch auf den Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten auswirken muss, wenn vorrangige oder gleichrangige weitere Unterhaltsberechtigte hinzutreten. Hält der BGH an dieser Rechtsprechung für die Zeit nach der Unterhaltsrechtsreform fest, bedeutete dies bezogen auf die neue Rangfolge, dass die Belastung des Unterhaltsschuldners mit einem nach Rechtskraft der Scheidung entstandenen (weiteren) Betreuungsunterhaltsanspruch rückwirkend auch die ehelichen Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehe geprägt hat. Grandel, der zu Recht darauf hinweist, dass Fragen der Rangfolge systematisch zum Mangelfall gehören und nicht zur Beurteilung des Bedarfs gem. § 1578 BGB, spricht insoweit von einer eingeleiteten "Erosion des Bedarfsbegriffes"; seiner Auffassung nach vollzieht der BGH eine Abkehr von den "dogmatischen Wurzeln" des Unterhaltsrechts.
Im Zeitalter der Bedarfsgemeinschaften und Mangelfälle spricht zwar vieles für die Linie des BGH, bei der Ermittlung des jeweiligen Unterhalts möglichst alle Unterhaltslasten des Schuldners zu berücksichtigen, um damit im Ergebnis eine Verteilungsgerechtigkeit zu erzielen. Allerdings dürfte eine dogmatisch in sich stimmige Lösung eine Neugestaltung der entsprechenden Anspruchsgrundlagen und der damit einhergehenden Normen zur Bestimmung des Bedarfs erfordern. So hat der BGH selbst als Argument für die Berücksichtigung nach Rechtskraft der Scheidung eintretender Einkommenseinbußen des Unterhaltspflichtigen angeführt, "bei Fortbestehen der Ehe hätte ein Ehegatte die negative Einkommensentwicklung des anderen Ehegatten wirtschaftlich (ebenfalls, d. Verf.) mit zu tragen" gehabt. Das aber kann gerade dann nicht gelten, wenn die Einkommenseinbußen auf einer nachfolgenden Eheschließung basieren. Daneben hat das BVerfG in seiner Entscheidung zum Splittingvorteil ausgeführt, dass es schon wegen der Dauerhaftigkeit, die die Ehe grundsätzlich auszeichnet, unzulässig wäre und auch durch keine Anhaltspunkte in der Wirklichkeit gestützt würde, wenn man deshalb unterstellen wollte, mit einer eingegangenen Ehe sei zugleich deren mögliches Scheitern sowie eine darauf folgende neue Ehe mitgedacht.
Ein Patentrezept für die Berechnung mehrerer Betreuungsunterhaltsansprüche vermag dieser Beitrag nicht zu bieten; er möchte vielmehr auch anhand von unterschiedlichen Berechnungsbeispielen Denkanstöße geben. Die im Folgenden als klassische Methode bezeichnete Unterhaltsberechnung geht – unter Außerachtlassung der neueren BGH-Rechtsprechung – von dem herkömmlichen Verständnis des § 1578 BGB aus, während die als Drittelmethode titulierte Verfahrensweise bemüht ist, der vorgenannten Rechtsprechung des BGH zu den wandelbaren Lebensverhältnissen Rechnung zu tragen.
1. Konkurrenz zweier ehelicher Betreuungsunterhaltsansprüche
Fall 1: V verdient 4.000 EUR netto. Die von ihm geschiedene M1 betreut das gemeinsame dreijährige Kind K1. Nach Scheidung hat V M2 geheiratet; nach der Trennung betreut sie das gemeinsame, einjährige Kind K2. Weder M1 noch M2 verfügen über eigene Einkünfte.
a) Klassische Methode
Denkbare Lösung nach herkömmlicher Herangehensweise:
Einkommen V |
4.000 EUR |
abzüglich Kindesunterhalt |
|
K1: Runterstufung in die 7. Einkommensgruppe, da 4 Unterhaltsberechtigte/Zahlbetrag |
303 EUR |
K2: Runterstufung in die 7. Einkommensgruppe, da 4 Unterhaltsberechtigte/Zahlbetrag |
303 EUR |
Verbleibt |
3.394 EUR |
Unterhalt M1 = 3/7 |
1.455 EUR |
Verbleibt |
1.939 EUR |
Unterhalt M2 3/7 vom verbleibenden EK |
832 EUR |
V verbleibt |
1.107 EUR |
Bedarfskontrollbetrag nicht gewahrt |
|
Einkommen V |
4.000 EUR |
abzüglich Kindesunterhalt |
|
K1: Runterstufung in die 3. Einkommensgruppe/Zahlbetrag |
230 EUR |
K2: Runterstufung in die 3. Einkommensgruppe/Zahlbetrag |
230 EUR |
Verbleibt |
3.540 EUR |
Unterhaltsanspruch M1 = 3/7 |
1.518... |