Jahrelang diskutierte das Parlament eine Reform des Scheidungsrechts, das noch dem Schuldprinzip verhaftet war, obwohl diesem Prinzip in der Praxis keine allzu große Rolle zukam, da 75 bis 80 % der Scheidungswilligen von der einverständlichen Scheidung Gebrauch machten. Mit Gesetz vom 27. April 2007 sind sowohl die Scheidungsgründe als auch das Unterhaltsrecht grundlegend geändert worden.
Das Scheidungsgesetz gibt die alte Systematik auf. Die Scheidung aus bestimmten Gründen und die Scheidung aufgrund faktischer Trennung werden abgeschafft. Stattdessen wird die Scheidung aufgrund einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe eingeführt. Die einverständliche Scheidung wird beibehalten, aber vereinfacht.
a) Scheidung aufgrund unheilbarer Ehezerrüttung
Mit dem Scheidungsgrund der unheilbaren Ehezerrüttung wird Abstand vom Schuldprinzip genommen. Die Ehescheidung ist keine Sanktion für Fehlverhalten mehr, sondern ein Recht für die Ehegatten. Wenn der Richter feststellt, dass die Ehe unheilbar zerrüttet ist, muss er die Ehescheidung aussprechen (Art. 229 § 1 S. 1 ZGB).
Der Scheidungsgrund der unheilbaren Ehezerrüttung kennt drei Formen:
- Die Ehe ist unheilbar zerrüttet, wenn die Fortsetzung des Zusammenlebens der Ehegatten und dessen Wiederherstellung redlicherweise unmöglich geworden ist (Art. 229 § 1 S. 2 ZGB). Der Beweis der unheilbaren Zerrüttung kann mit allen gesetzlichen Mitteln nachgewiesen werden (Art. 229 § 1 S. 3 ZGB). In diesem Fall spricht der Richter die Ehescheidung sofort aus, ohne dass eine Trennungsfrist oder eine Wartezeit erforderlich ist. Auch wenn das Schuldprinzip offiziell abgeschafft ist, bietet dieser Grund die Möglichkeit, Fehlverhalten eines Ehegatten als Beweis für die unheilbare Zerrüttung anzuwenden. Sogar die Möglichkeit der Feststellung des Ehebruchs durch Gerichtsvollzieher bleibt bestehen. Das Fehlverhalten dient aber nur der objektiven Feststellung der Zerrüttung und hat für die Ehescheidung als solche keine weiteren Folgen.
- Die Zerrüttung wird unwiderlegbar vermutet, wenn beide Ehegatten die Scheidung beantragen nach sechsmonatiger faktischer Trennung oder, wenn sie noch keine sechs Monate getrennt leben, nach wiederholtem Antrag nach Ablauf der sechsmonatigen Trennungsfrist oder nach wiederholtem Antrag nach einer Überlegungsfrist von drei Monaten (Art. 229 § 2 ZGB und Art. 1255 § 1 ZPO).
- Die Zerrüttung wird unwiderlegbar vermutet, wenn ein Ehegatte die Scheidung beantragt nach einer faktischen Trennung von einem Jahr oder, wenn die Ehegatten noch kein Jahr getrennt leben, nach wiederholtem Antrag nach Ablauf der einjährigen Trennungs-frist oder nach wiederholtem Antrag nach einer Überlegungsfrist von einem Jahr (Art. 230 § 3 ZGB und Art. 1255 ZPO).
Ein Teil der Lehre legt die erste Form restriktiv aus im Sinne einer Härteklausel und erlaubt die Scheidung nur, wenn die Fortsetzung des Zusammenlebens für den Antragsteller eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Diese Stellungnahme knüpft die Ehescheidung an eine Bedingung, die nicht aus dem Gesetz zu entnehmen ist.
In den drei Fällen verkündet der Richter die Ehescheidung ohne ein obligatorisches Verbundverfahren.
b) Einverständliche Scheidung
Die einverständliche Scheidung ist nicht an materiellrechtliche Voraussetzungen wie eine faktische Trennung gebunden. Die Ehegatten sind nur verpflichtet, alle Scheidungsfolgen im Voraus zu regeln (Art. 1287–1288 ZPO).
Die Ehegatten haben zweimal vor dem Richter zu erscheinen. Zwischen beiden Terminen liegt eine Wartefrist von drei Monaten, aber das zweite Erscheinen entfällt, wenn die Ehegatten nachweisen, dass sie bei der Antragstellung schon sechs Monate getrennt leben (Art. 1291 bis und 1294 ZPO).
Anders als im französischen Recht ist die richterliche Kontrolle der Scheidungsverträge beschränkt. Der Richter prüft die erforderlichen Formalitäten. Bei der inhaltlichen Prüfung ist zu unterscheiden zwischen den Verträgen bezüglich Ehegatten und Kindern. Bei den Verträgen bezüglich der Ehegatten kann der Richter nur überprüfen, ob diese den gesetzlichen Bedingungen entsprechen und ob sie inhaltlich nicht gegen den ordre public oder gegen die guten Sitten verstoßen. Das Gericht nimmt Kenntnis von diesen Verträgen, aber anders als im französischen Recht homologiert es sie nicht und werden sie kein Bestandteil des Scheidungsurteils. Der Richter kann auf diese Weise nur eine beschränkte Legalitätskontrolle und keine Opportunitätskontrolle ausüben. Diese Auffassung ist vertretbar, da sie der Privatautonomie der Ehegatten gerecht wird. Liegen Willensmängel vor, dann reichen die Anfechtungsmöglichkeiten des gemeinen Schuld- und Vertragsr...