Eva Becker
Das Unterhaltsrecht gibt kein bestimmtes Ehebild vor. Die Ehegatten sind in der Ausgestaltung der Ehe frei …
Das ist keine Feststellung der Autorin. Es ist stattdessen die Antwort der Bundesregierung vom 20.4.2011 auf eine kleine Anfrage der Grünen (BT-Drucks 17/5627) zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Dreiteilungsmethode vom 25.1.2011.
Frei und ohne Vorgaben – hört sich gut an. Frei und ohne Vorgaben – wirft allerdings auch die Frage auf, wie frei Ehepartner, die sich in einer – noch – glücklichen Beziehung für die Betreuung der Sprößlinge entscheiden und sich in diesem Entschluss der Zustimmung des – noch liebenden und – besser verdienenden Ehepartners sicher wissen, in ihrer Entscheidung sind. Sind sie frei im Sinne von schutzlos oder frei im Sinne von verantwortlich für ihr Tun? Dem soll nicht weiter nachgegangen werden: Verfiele man womöglich ins Grübeln und das verheißt Verdruss, da die anzustellenden Überlegungen in ihrer Kleinteiligkeit in etwa dem vertieften Nachdenken über den Sinn der Dreiteiligkeit entspräche. Das führt, zumindest hier, nicht weiter.
Weiter führt die Antwort der Bundesregierung aber vielleicht, wenn man sie zum Anlass nimmt, den Blick zu weiten und über Grundsätzliches nachzudenken:
Wenn man der Meinung des Gesetzgebers, das Unterhaltsrecht gebe kein Ehebild vor und die Eheleute seien frei in der Ausgestaltung der Ehe, folgen wollte, drängt sich die Frage auf, von welchen Prämissen der Gesetzgeber bei der Entwicklung des Familienrechts eigentlich ausgeht. Hat er eine bestimmte Vorstellung dessen, was als gesellschaftlicher Grundkonsens in familienrechtlichen Regelungen zum Ausdruck kommen sollte, oder gibt es keine solche Vorgabe – weil es etwa an einem Grundkonsens in der Gesellschaft fehlt? Die Frage drängt sich nicht nur in Folge der Erklärung der Bundesregierung zur Dreiteilungsmethode auf. Sie stellt sich auch mit Blick auf die Entwicklungen in der Rechtsprechung und die Diskussion in der Lehre:
Wenn im Güterrecht ein modernes Ehebild, dem die Zugewinngemeinschaft mangels dinglicher Teilhabe am Erwerb des anderen Ehegatten mit Blick auf die Gleichberechtigung der Ehegatten nicht mehr gerecht werde, zur Grundlage der Diskussion wird, liegt nahe, dass das Familienrecht doch – zumindest partiell – ein Bild der Ehe vor Augen hat. Wenn dem im Güterrecht so wäre, schließt sich die Frage an, ob das Maß der im Unterhaltsrecht postulierten – und der von einem bestimmten Bild der Ehe losgelösten – Eigenverantwortung, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, in Folge des güterrechtlichen Ehebildes seine Grenzen in der (durch eine dingliche Teilhabe eingeschränkten) Eigenverantwortung für das eigene Vermögen finden soll?
Wenn im Vertragsrecht ein Ehebild zugrunde gelegt wird, das einschneidende Einschränkungen der Autonomie der Vertragspartner angezeigt erscheinen lässt, fragt sich, ob der Grad der Einschränkungen sich wiederfindet in der Vorstellung von Gleichberechtigung der Ehegatten auf dem Gebiet des Güterrechts und in der Idee vom Maß der Eigenverantwortung im Unterhaltsrecht.
Es scheint lohnenswert, sich dem Großen und Ganzen einmal zu widmen und zu prüfen, von welchen Vorstellungen das Familienrecht geprägt ist, ob diese ein Abbild eines gesellschaftlichen Grundkonsenses und in sich stimmig sind.
Wer weiß, was es sei? Die Gedanken sind frei.
Eva Becker, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin