Der DAV-Ausschuss Familienrecht hat eine Initiative zur Reform des nachehelichen Ehegattenunterhalts gestartet und einen Vorschlag vorgelegt mit dem Ziel, ein einfacher strukturiertes, überschaubares und planbares Unterhaltsrecht zu schaffen.
I. Bestandsaufnahme und Kritik
Der Entwurf zeigt zunächst die Schwächen und Widersprüche im bisherigen Unterhaltsrecht auf.
1. Eigenverantwortung oder Unterhalt?
Einerseits wird der Grundsatz der Eigenverantwortung in § 1569 BGB eindeutig formuliert und die Vorschrift hat mit dem Unterhaltsänderungsgesetz 2008 (siehe unter A. II. 4.) eine weitere Aufwertung erfahren. Andererseits spielt der Grundsatz der Eigenverantwortung in der Praxis aber kaum eine Rolle, denn die eigentliche Regel, wonach jeder Ehegatte nach der Scheidung für sich selbst zu sorgen hat, wird durch das lückenlose System von sieben nachehelichen Unterhaltsansprüchen im Ergebnis zur Ausnahme gemacht. Das Ganze wird begründet mit dem Grundsatz einer nachwirkenden Mitverantwortung der Ehegatten füreinander, wobei zahlreiche Tatbestände hintereinander geschaltet sind mit der Folge, dass ein Anspruch den anderen ablöst. Das Ergebnis ist die Umkehr des Regel-Ausnahme-Prinzips.
2. Asymmetrisch ausgestalteter Betreuungsunterhalt
Die strukturellen Unterschiede – § 1570 BGB ist Bestandteil des nachehelichen Unterhaltsrechts, § 1615l BGB gehört zum Verwandtenunterhalt – kontrastieren damit, dass es aus der Sicht des Kindes keine Rolle spielt, ob die betreuenden Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht.
Die normativ begründeten Unterschiede sind erheblich. Beim Tod des Schuldners, der nach § 1570 BGB unterhaltsverpflichtet ist, geht die Unterhaltspflicht auf die Erben über (§ 1586b Abs. 1 S. 1 BGB), die allerdings nur einen betragsmäßig beschränkten Unterhalt schulden. Sind die Eltern nicht verheiratet, geht der Unterhaltsanspruch als Nachlassverbindlichkeit ebenfalls auf die Erben über (§ 1967 BGB), ist aber nicht gegenständlich beschränkt, weil zwischen der betreuenden Person und dem verstorbenen Schuldner kein Pflichtteilsverhältnis (§ 2303 BGB) besteht. Damit werden ein geschiedener betreuender Elternteil sowie gleichzeitig das eheliche Kind schlechter gestellt, was verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
Bei Vereinbarungen über den Betreuungsunterhalt sind ebenfalls deutliche Unterschiede festzustellen: Sind die Eltern verheiratet, ist für Absprachen vor Scheidungsrechtskraft notarielle Beurkundung erforderlich; sind die Eltern nicht verheiratet, sind die Absprachen formfrei, gleichzeitig gilt das gesetzliche Verbot des § 1614 BGB. Es ist wenig einsichtig, weshalb ein betreuender Elternteil für die Zukunft auf den Anspruch aus § 1570 BGB verzichten kann, auf den Anspruch nach § 1615l BGB dagegen nicht.
Das Maß des Betreuungsunterhaltsanspruchs bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB), die durch alle wirtschaftlich relevanten, beruflichen, gesundheitlichen oder familiären Faktoren bestimmt werden, bei Doppelverdienerehen im Regelfall durch das gemeinsame Einkommen der Eheleute. Damit ist der Bedarf regelmäßig höher als der angemessene Lebensbedarf des Berechtigten. Grundlegend anders wird der Bedarf nach § 1615l BGB bestimmt: Maßgebend ist hier allein die Lebensstellung des anspruchstellenden Elternteils; eine Bedarfsbemessung auf der Grundlage von gemeinsamen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der betreuenden Mutter und des nichtehelichen Partners kommt selbst dann nicht in Betracht, wenn die Eltern in einer bestehenden Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben. Im Ergebnis wird die betreuende Mutter eines außerhalb der Ehe geborenen Kindes schlechter gestellt; sie hat entweder weniger Geld oder weniger Zeit für Betreuung und Versorgung des Kindes zur Verfügung. Diese mittelbare Ungleichbehandlung der Kinder widerspricht der bereits 1998 durch das KindRG angestrebten Gleichstellung der betreuten Kinder (siehe unter A. II. 3.).
Auch der Altersvorsorgeunterhalt ist unterschiedlich ausgestaltet. Während der geschiedene Ehegatte nach § 1578 Abs. 3 BGB Anspruch auf angemessene Versorgung für den Fall des Alters hat, gibt es im Bereich des Verwandtenunterhalts keine korrespondierende Bestimmung. Verfahrenskostenvorschuss kommt nach dem Gesetz nur für einen getrennt lebenden Ehegatten (§§ 1360a Abs. 4, 1361 Abs. 4 S. 4 BGB) in Betracht, während das für einen betreuenden, nicht verheirateten Elternteil ausscheidet.