Man ist versucht, die letzten 40 Jahre Ehegattenunterhalt mit den Worten "gut gemeint, aber nicht immer gut gemacht" zu umschreiben. Auch durch zahlreiche gesetzliche Reformen hat sich nichts an dem "Systemfehler" geändert, der in der Verkehrung des Regel-Ausnahme-Prinzips zwischen Eigenverantwortung einerseits und nahezu lückenlosen "Ausnahme"-Tatbeständen andererseits besteht. Die Reformen wirken teilweise wie ein hin und her schwingendes Pendel: Zunächst werden Vorteile für den Berechtigten geschaffen, Belastungen für den Schuldner werden erst später erkannt, Korrekturen werden anschließend durchgeführt (so durch das Unterhaltsänderungsgesetz zum 1.1.2008). Im Rahmen der Rechtsprechung zum Betreuungsunterhalt wurde verkannt, dass der Gesetzgeber lediglich ein Überdenken des früheren Altersphasenmodells gefordert hatte, aber nicht dessen pauschale Ablehnung. Inhaltlich ging es "vor und zurück": Die zum Umfang der Erwerbsobliegenheit "scharfe" Rechtsprechung pendelte sich erst wieder ein, nachdem die kategorische Erwerbspflicht des betreuenden Elternteils ab dem dritten Geburtstag des Kindes allgemein als zu drastisch empfunden worden war. Die neue Vorschrift des § 1578b BGB, schon wenige Jahre nach ihrer Einführung wieder geändert, hat zu einem "Eiertanz" geführt: Die Ehedauer wird dem ehebedingten Nachteil nur systematisch gleichgestellt, führt aber für sich allein betrachtet nicht zu einer verbesserten Anspruchsgrundlage; ein Schelm, wer auch politischen Hintergrund bei dieser Änderung vermutet. Vor allem muss die Reform 2008 als "Verschlimmbesserung" bezeichnet werden, weil – in der Praxis durchaus erprobte – Systeme wie das "Altersphasenmodell" durch Billigkeitsregeln ersetzt worden sind, die Ergebnisse für die Beteiligten sowie Beratung und Rechtsanwendung aufseiten der Anwaltschaft zunehmend unkalkulierbar gemacht haben. Die Zielsetzung, eine Vereinfachung herbeizuführen – das deutsche Unterhaltsrecht gilt als das komplizierteste in Europa – wurde bisher nicht erreicht.
Vor diesem Hintergrund uneingeschränkt begrüßenswert ist die Initiativstellungnahme des DAV durch den Ausschuss Familienrecht zur Reform des nachehelichen Ehegattenunterhaltsrechts. Die Ziele sind vorgegeben: Die nacheheliche Mitverantwortung soll auf ein notwendiges Maß beschränkt, die Regelungen sollen vorhersehbarer gestaltet und die Rechtssicherheit damit gestärkt werden. Die Abwägung zwischen der Eigenverantwortung einerseits und der nachehelichen Mitverantwortung andererseits soll interessengerechter durchgeführt werden. Die Rechtsstellung der betreuenden Elternteile soll gleich ausgestaltet werden unabhängig davon, ob das Kind ehelich oder nichtehelich geboren ist.
Die Anwaltschaft im Bereich des Familienrechts ist an den praktischen Problemen im Zusammenhang mit Gesetzeslage und Rechtsprechung naturgemäß "näher dran" als der Gesetzgeber. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser die Erfahrungen und die aktuellen Anregungen zunutze macht.
Der Autor ist Mitglied der Aderhold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Dortmund, und Honorarprofessor der Universität Bochum. Er ist nicht Mitglied des Ausschusses Familienrecht im DAV, wurde aber dort mehrfach zur Initiativstellungnahme zur Reform des nachehelichen Ehegattenunterhaltsrechts angehört. – Meiner lieben Frau Sabine und unseren Töchtern Gerlinde, Hermine und Lillie gewidmet.
Autor: Prof. Dr. Winfried Born , Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Dortmund
FF 7/2017, S. 276 - 284