ZPO § 115 Abs. 1; BEEG §§ 2, 10; BayFamGG Art. 1, 2, 3
Leitsatz
Das Bayerische Familiengeld unterfällt als vergleichbare Landesleistung im Sinne des § 10 Abs. 1 BEEG dieser Regelung und bleibt deshalb als einzusetzendes Einkommen im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe unberücksichtigt, soweit es zusammen mit den weiteren in dieser Vorschrift genannten Leistungen monatlich 300 EUR nicht übersteigt.
BGH, Beschl. v. 20.5.2020 – XII ZB 537/19 (OLG Bamberg, AG Würzburg)
Aus den Gründen
Gründe: A. [1] Die Antragstellerin begehrt für ein Verfahren, das auf Zahlung von Trennungsunterhalt sowie Unterhalt für ihre vier in ihrem Haushalt lebenden, 2012, 2014 und (Zwillinge) im Mai 2017 geborenen Kinder gerichtet ist, ratenfreie Verfahrenskostenhilfe.
[2] Das Amtsgericht hat ihr Verfahrenskostenhilfe unter Anordnung der Zahlung von Monatsraten in Höhe von 103 EUR bewilligt. Dabei hat es neben dem der Antragstellerin gezahlten Kindergeld auch das ihr für die Zwillinge insgesamt monatlich gewährte Bayerische Familiengeld von 600 EUR als Einkünfte berücksichtigt. Nach Abzug des Freibetrags für die Antragstellerin, eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende und der um die Eigeneinnahmen reduzierten Kinderfreibeträge ist es zu einem einzusetzenden Einkommen von 207,48 EUR und auf dieser Grundlage zur Ratenhöhe gelangt.
[3] Auf die gegen die Ratenzahlungsanordnung gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht die Ratenhöhe auf 85 EUR reduziert. Es hat als weiteres Einkommen die der Antragstellerin zwischenzeitlich bewilligte Hilfe zum Lebensunterhalt einbezogen, die Freibeträge leicht reduziert angesetzt, das Bayerische Familiengeld aber nur in Höhe von monatlich 300 EUR als Einkommen behandelt. Daraus hat es ein einzusetzendes Einkommen von monatlich 171,52 EUR und die genannte Rate errechnet.
[4] Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Antragstellerin den Wegfall der Ratenzahlungsanordnung erreichen.
B. [5] Die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
I. [6] Das Oberlandesgericht hat seine in juris veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
[7] Zum gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Einkommen gehörten grundsätzlich auch Einkünfte aus zweckgerichteten öffentlich-rechtlichen Zuwendungen und damit auch diejenigen auf der Grundlage des Bayerischen Familiengeldgesetzes. Die Zweckbestimmung des Familiengelds stehe einer Einstufung als Einkommen bei der nicht existenzsichernden Sozialleistung der Verfahrenskostenhilfe nicht generell entgegen. Eine Einschränkung der Anrechenbarkeit ergebe sich jedoch aus § 10 Abs. 1 BEEG, weil die Verfahrenskostenhilfe eine Sozialleistung im Sinne dieser Bestimmung sei. Das Familiengeld sei dem Bundeselterngeld zwar nicht gleichzusetzen, weil es keine Lohnersatzfunktion habe. Bis zu seinem Mindestbetrag von 300 EUR sei das Bundeselterngeld jedoch eine Zusatzleistung und nur darüber hinausgehend eine Entgeltersatzleistung. Mit dieser Funktion sei das Familiengeld vergleichbar. Folglich sei ein Sockelbetrag von 300 EUR des Familiengelds bei der Einkommensberechnung gemäß § 115 ZPO anrechnungsfrei.
II. [8] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
[9] Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat das Oberlandesgericht angenommen, dass zu dem nach § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO (dessen entsprechende Anwendung hier aus § 113 Abs. 1 FamFG, nicht aus § 76 FamFG folgt) für die Deckung der Verfahrenskosten einzusetzenden Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert gehören. Damit sind grundsätzlich auch Einkünfte, die aus zweckgerichteten öffentlich-rechtlichen Zuwendungen stammen, Einkommen im verfahrenskostenhilferechtlichen Sinne (MüKo-ZPO/Wache, 5. Aufl., § 115 Rn 16; vgl. auch Senatsbeschl. v. 5.5.2010 – XII ZB 65/10, FamRZ 2010, 1324 Rn 14; BT-Drucks 17/11472 S. 30). Das von der Antragstellerin für die Zwillinge bezogene Bayerische Familiengeld ist jedoch aufgrund spezialgesetzlicher Regelung insgesamt kein nach § 115 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO einzusetzendes Einkommen.
[10] 1. Gemäß Art. 2 Abs. 1 S. 1 des Bayerischen Familiengeldgesetzes vom 24.7.2018 (GVBl. S. 613; BayFamGG) hat Anspruch auf Familiengeld, wer seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Freistaat Bayern hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt und dieses Kind selbst erzieht und für eine förderliche frühkindliche Betreuung des Kindes sorgt. Die Leistung wird allen Familien gewährt, unabhängig vom Einkommen oder einer Erwerbstätigkeit und daher auch unbeschadet dessen, ob das Kind eine Krippe besucht oder in der Familie betreut wird (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 1 Rn 119a). Das Bayerische Familiengeld ersetzt sowohl das Bayerische Landeserziehungsgeld als auch das Bayerische Betreuungsgeld (vgl. zur Übergangsregelung Art. 9a BayFamGG). Es beträgt nach Art. 3 Abs. 1 BayFamGG für das erste und zweite Kind des Berechti...