Einführung
Eine neue Entscheidung des OLG Oldenburg – mit Gründen erst mehrere Monate nach ihrer Verkündung veröffentlicht – lässt die beratende Anwaltschaft aufhorchen: Schwiegereltern, die dem Schwiegerkind Anlagevermögen geschenkt haben, sollen bereits dem Grunde nach keinen Ausgleichsanspruch haben, wenn Kind und Schwiegerkind sich trennen. Dieser Beitrag handelt von zwei zentralen Fragen des Rechts ehebezogener Zuwendungen bzw. ehebezogener Schenkungen, nämlich von deren möglichem Gegenstand und der Frage, ob, wann und in welchem Umfang sich der Ausgleichsanspruch durch Zeitablauf "verflüchtigt". Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Entscheidung des X. Senats des Bundesgerichtshofs vom 18.6.2019.
Ausgangspunkt sind die Vorfragen nach der Anspruchsgrundlage und ihren tatsächlichen Voraussetzungen sowie den Rechtsfolgen im Fall der Trennung der Eheleute.
Diese Fragen stellen sich sowohl für "rechtliche" Schwiegerkinder (Kind und Schwiegerkind sind verheiratet) als auch bei sog. "faktischen" Schwiegerkindern (sie sind nicht verheiratet, sondern nichteheliche, nicht eingetragene Lebenspartner).
A. Zur Einführung: Zusammenfassung der Entwicklung der BGH-Rechtsprechung
I. Ehegatten
Der Beitrag stellt vorab an die Entwicklung der BGH-Rechtsprechung zu Schwiegerelternzuwendungen dar und führt aus, dass die Beantwortung grundsätzlicher Fragen durch den jetzt allein zuständigen XII. BGH-Senat noch offen ist.
Der erste anwaltliche Blick ins 4. Buch des BGB zeigt, dass spezielle Regelungen zur angesprochenen Fragestellung (Ausgleich innerfamiliärer Wertschöpfungen) fehlen, wenn man – und auch das nur bei Ehegatten – vom Zugewinnausgleich absieht, der jedoch bei Gütertrennung oder Störungen des Ausgleichsanspruchs versagt. Einschlägig ist das sog. Nebengüterrecht, eine höchstrichterliche Quelle, die mangels gesetzlicher Bestimmungen auf Vorschriften des Schuldrechts zurückgreifen muss. Zur Darstellung der Entwicklung der BGH-Rechtsprechung betreffend Zuwendungen an Schwiegerkinder muss mit den Zuwendungen unter Ehegatten begonnen werden, weil sie dort ihren dogmatischen Ursprung hat.
Vorab ist klarzustellen: "Zuwendung" ist nach dem Gesetz der Oberbegriff. Erfolgt sie unentgeltlich, ist sie Schenkung (§ 516 BGB), erfolgt sie mit Gegenleistung, nicht. Ob sie dann nicht Schenkung ist, wenn sie auf einer Geschäftsgrundlage erfolgt, hängt von der Person des Begünstigten und vom Gegenstand der Geschäftsgrundlage ab. Der entscheidende Unterschied ist nach heutigem Stand, ob die Geschäftsgrundlage in der Verwirklichung, Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der eigenen ehelichen Lebensgemeinschaft besteht (dann: familienrechtlicher Vertrag sui generis mit eigener Geschäftsgrundlage = ehebezogene Zuwendung) oder der ehelichen Lebensgemeinschaft des Kindes mit dem Schwiegerkind (dann: Schenkungsvertrag mit eigener Geschäftsgrundlage = ehebezogene Schenkung). Selbstverständlich können auch Ehegatten einander etwas ohne eine solche Geschäftsgrundlage schenken wie auch die Schwiegereltern dem Schwiegerkind. Die "echte" Schenkung erfolgt aus reiner Freigiebigkeit unabhängig vom künftigen Schicksal der Bezugsehe.
Es kommen also diese Konstellationen vor:
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Mit Geschäftsgrundlage "Ehe" |
Ohne Geschäftsgrundlage "Ehe" |
Ehegatte(n) |
→ anderen Ehegatten |
→ Schwiegerkind |
→ anderen Ehegatten |
→ Schwiegerkind |
Ehebezogene Zuwendung |
Ehebezogene Schenkung |
Freigiebige "echte" Schenkung |
Freigiebige "echte" Schenkung |
Ob eine Geschäftsgrundlage stillschweigend errichtet wurde hängt unabhängig von der Willensbildung vorfraglich von ihrem Gegenstand und davon ab, ob dieser rechtlich überhaupt als Geschäftsgrundlage in Betracht kommt. Hier hat das OLG Oldenburg Neuland betreten.
Ein Beispiel aus der Praxis (Ehegatten)
M und F bewohnen das frühere Elternhaus des M, welches dieser von seinen Eltern geerbt hat. F lebt in der falschen, aber überaus verbreiteten Vorstellung, da sie mit M verheiratet sei, gehöre ihnen alles gemeinsam, also auch dieses Haus. Eines Tages sieht sie einen Grundbuchauszug herumliegen, mit dem sie M konfrontiert, der sie über die Rechtslage aufklärt. F ist enttäuscht und entrüstet und wähnt, da stimme etwas nicht. M soll ihr hälftiges Eigentum verschaffen, was dieser ablehnt. Nun spielt F die Karte "liebst Du mich denn nicht?" Doch, sagt M, aber es ist nun einmal mein Haus. So geht es hin und her. Schließlich gibt M nach und überträgt F eine ideelle Hälfte am Objekt. Ohne dies mit F zu besprechen sagt er sich dabei Folgendes: F ist doch meine Frau und wir bleiben verheiratet, bis der Tod uns scheidet. Da ist es doch egal wer im Grundbuch steht, denn wir werden so oder so gemeinsam dort wohnen bleiben (Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft). Außerdem ist das eine vertrauensbildende Maßnahme und zerstreut den Argwohn meiner ...