Während die Brüssel IIa-VO nur bei den sog. privilegierten Entscheidungen gemäß Art. 41 Brüssel IIa-VO (Entscheidung über das Umgangsrecht) und Art. 42 Brüssel IIa-VO (Entscheidung über die Rückgabe des Kindes gemäß Art. 11 Abs. 8 Brüssel IIa-VO) auf eine Vollstreckbarerklärung verzichtet, schafft Art. 34 Abs. 1 Brüssel IIb-VO die Notwendigkeit eines gesonderten Vollstreckbarerklärungsverfahrens (Exequaturverfahrens) für sämtliche Entscheidungen über die elterliche Verantwortung ab. Dies gilt nicht nur für Hauptsacheentscheidungen, sondern über Art. 2 Abs. 1 S. 2 Buchst. b Brüssel IIb-VO auch für einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen. Vollstreckungsvoraussetzung ist künftig nur noch die Vorlage der in Art. 35 bzw. 46 Brüssel IIb-VO genannten Unterlagen. Verfahrensrechtlichen Schutz gegen eine unberechtigte Vollstreckung bietet anstelle der Rechtsbehelfe des Exequaturverfahrens der Antrag auf Versagung der Vollstreckung gemäß Art. 59 Brüssel IIb-VO. Auf dieser Ebene wirkt dann allerdings die Differenzierung zwischen den – nunmehr in Art. 42 Abs. 1a) und b) Brüssel IIb-VO aufgeführten – privilegierten Entscheidungen und den sonstigen Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung fort.
Die Anerkennung und Vollstreckung einer privilegierten Entscheidung nach Artikel 42 Abs. 1a) oder b) Brüssel II b-VO wird gemäß Art. 50 Brüssel IIb-VO nur versagt, wenn und soweit sie mit einer späteren Entscheidung über die elterliche Verantwortung für dasselbe Kind unvereinbar ist, die ergangen ist in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, oder in einem anderen Mitgliedstaat oder im Aufenthaltsstaat des Kindes, sofern die spätere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird. Für die übrigen Entscheidungen betreffend die elterliche Sorge kann gemäß Art. 41 Brüssel IIb-VO demgegenüber die Vollstreckung aus sämtlichen Anerkennungsversagungsgründen des Art. 39 Brüssel IIb-VO versagt werden, die sich – bis auf den schon erwähnten Art. 23b) Brüssel IIa-VO – mit den bisherigen Anerkennungsversagungsgründen decken.
Einhergehend mit dem Wegfall des Exequaturverfahrens enthält die Brüssel IIb-VO wesentlich umfangreichere Vorschriften als die Brüssel IIa-VO über das Vollstreckungsverfahren als solches. Zwar bleibt es gemäß § 51 Abs. 1 Brüssel IIb-VO bei dem Grundsatz, dass für das Verfahren der Vollstreckung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats maßgebend ist. Während sich die Brüssel IIa-VO jedoch im Grunde mit dieser Verweisung begnügt, bestimmt die Brüssel IIb-VO in ihrem Art. 56 eigenständig Gründe für die Aussetzung der Vollstreckung. In Art. 56 Abs. 1 und 2 Brüssel IIb-VO sind Aussetzungsgründe geregelt, die an verfahrensrechtliche Umstände anknüpfen. Art. 56 Abs. 4 Brüssel IIb-VO sieht vor, dass die Vollstreckung in Ausnahmefällen auch ausgesetzt werden kann, wenn die Vollstreckung aufgrund – nach Ergehen der Entscheidung aufgetretener – vorübergehender Hindernisse oder anderer wesentlicher Änderungen der Umstände für das Kind die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens mit sich bringen würde. Ist die schwerwiegende Gefahr dauerhafter Art, so kann die für die Vollstreckung zuständige Behörde bzw. das zuständige Gericht sogar auf Antrag die Vollstreckung der Entscheidung ablehnen (Art. 56 Abs. 6 Brüssel IIb-VO). Art. 57 Brüssel IIb-VO lässt darüber hinaus auch die im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehenen Gründe für die Aussetzung oder Versagung der Vollstreckung zu – sofern sie nicht mit der Anwendung der Art. 41, 50 und 56 der Verordnung unvereinbar sind.
Der vorgenannten Änderungen finden ihren Niederschlag auch in der Neufassung des IntFamRVG. Die Brüssel IIb-VO ist mangels Notwendigkeit eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens vollständig aus dem Anwendungsbereich des Abschnitts 5 des IntFamRVG 2022 herausgenommen worden. Der in Abschnitt 7 des IntFamRVG 2022 neu eingefügte Unterabschnitt 2 enthält besondere Vorschriften zur Vollstreckung von Titeln im Sinne von Kapitel IV der Brüssel IIb-VO. In den §§ 44b bis 44f IntFamRVG 2022 sind die notwendigen nationalen Durchführungsvorschriften für die neu eingeführten Verfahren auf Versagung der Vollstreckung nach Art. 59 ff und auf Aussetzung der Vollstreckung nach Art. 56 Abs. 1, 2 und 4 der Brüssel IIb-VO geregelt. § 44g IntFamRVG 2022 stellt klar, dass die Zwangsvollstreckung einzustellen ist, wenn die Ausfertigung einer rechtskräftigen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die Vollstreckung nach Art. 56 Brüssel IIb-VO versagt oder nach Art. 56 Brüssel IIb-VO eingestellt worden ist.
Der Beschluss über den Antrag auf Versagung der Vollstreckung ist gemäß § 44d Abs. 1 IntFamRVG 2022 in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Dabei sind allerdings abweichend v...