Ein weiteres Diskussionsfeld ist dadurch eröffnet, dass es auch um die Frage gehen muss, ob im Rahmen der originären Zuordnung von Eltern und Kind das Kindeswohl eine Rolle spielen muss, darf oder sollte. Vorgegeben ist von der Verfassung (Art. 2, 6 Abs. 2 GG), dass im Kindesinteresse eine klare, bei Geburt bestehende Zuweisung der rechtlichen Elternstellung zumindest zu einem Elternteil erfolgen muss. Was gilt aber darüber hinaus? Das Kindeswohl ist sicherlich ein wesentlicher Gesichtspunkt bei allen das Kind betreffenden Entscheidungen. Es darf aber andererseits nicht als Schlagwort, als eine Art "Zauberformel" ohne genaue Vorstellungen von den Beurteilungsmöglichkeiten und -faktoren in der jeweiligen Situation benutzt werden.
In einem allein an der genetisch/biologischen Verbindung ausgerichteten Zuordnungssystem – wie auch im (nicht konsequent an der Genetik ausgerichteten) geltenden Recht – ist für die Berücksichtigung des Kindeswohls von vornherein kein Raum. Der Staat darf (und will) den genetischen Eltern das Kind nicht gegen ihren Willen wegnehmen und es anderen, aus seiner Sicht als Eltern besser geeigneten Personen zuordnen. Dies ist konsentiert und wird als von der Verfassung vorgegeben erachtet. Das Kindeswohl kann daher immer erst auf sekundärer Ebene, nämlich bei der Adoption und – in begrenztem Maße – im Rahmen der Anfechtung eine Rolle spielen.
Kommt es jedoch auf den Willen der Eltern zur Elternschaft bzw. zum Verzicht auf dieselbe an, dann mag man zunächst daran denken, dem Wohl des Kindes, das durch diese Entscheidung elementar betroffen sein wird, Bedeutung beizumessen. Eine gewisse Parallele zur Adoption, die stets eine Kindeswohlprüfung erfordert, mag dies nahelegen.
Allerdings ist zu beachten, dass das Kindeswohl stets nur dann relevant werden kann, wenn eine staatliche Kontrolle entweder abstrakt-generell durch gesetzliche Verbote oder durch eine staatliche Prüfung im konkreten Einzelfall stattfindet. Gerade unter diesem Aspekt zeigt sich nun aber ein wesentlicher Unterschied zwischen einer Adoption einerseits und einer am Willen der potentiellen Eltern und Elternschaftsprätendenten orientierten originären Eltern-Kind-Zuordnung andererseits: Bei der Adoption existiert das Kind bereits, der Staat ist eingeschaltet, um den Wechsel in der Elternzuständigkeit zum Wohle des bereits geborenen Kindes zu überwachen. Kommen die adoptionswilligen Wunscheltern A aus Kindeswohlgründen für eine Adoption nicht in Betracht, so ist ihr Adoptionsantrag abzulehnen. Es ist legitim, wenn die Elternschaft einem unter Kindeswohlaspekten besser geeigneten adoptionswilligen Wunschelternpaar B auf dessen Antrag übertragen wird.
Würde hingegen eine derartige staatliche Überprüfung des Elternwunsches vor Zeugung des Wunschkindes (unter Inanspruchnahme einer irgendwie gearteten Zeugungshilfe) stattfinden, so könnte die staatliche Überprüfung sowohl in abstrakt genereller als auch in konkret auf den Einzelfall bezogener Form nur entweder zu einer Versagung oder aber zu einer Genehmigung der Zeugung führen. Der Staat müsste also eine Art "Zeugungsschein" ausstellen. Er würde über Entstehen oder Nichtentstehen eines Kindes entscheiden. Zum einen kann die Verhinderung der Zeugung eines Kindes aber schon logisch nicht mit dessen Wohl begründet werden. Außerdem widerspricht eine derartige Zeugungserlaubnis und staatliche Zeugungsentscheidung den Freiheitsrechten und der Wertentscheidung des Grundgesetzes für eine grundsätzlich "staatsfreie" Familienbildung und -gründung. Abgesehen von der Frage, welche Gesichtspunkte der Gesetzgeber bei einer abstrakt-generellen Beschränkung oder das Gericht bei einer konkreten Prüfung des Wohles eines künftig geborenen Kindes in Erwägung ziehen sollte, muss daher eine Kindeswohlprüfung aus verfassungsrechtlichen Gründen hier – wie bei der Zuordnung zu den genetischen Eltern – als Zuordnungskriterium ausscheiden.
Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn es nicht um die originäre Eltern-Kind-Zuordnung, sondern um eine nach der Geburt angestrebte Korrektur einer rechtlichen Elternschaft für ein bereits existierendes Kind geht. Auf dieser sekundären Ebene ist der Staat schon aus Gründen der Statusklarheit und der Statusbeständigkeit eingeschaltet. Im Rahmen dieser notwendigen staatlichen Einmischung in eine möglicherweise neue Feststellung einer rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung ist – wie bereits angedeutet – durchaus Raum für eine Kindeswohlprüfung (auch wenn das Kindeswohl – aber stärker als im geltenden Recht – nicht der einzige Gesichtspunkt sein sollte).
Dies ist der Ort, an dem psychologische Aspekte, die soziale Elternschaft und andere Gesichtspunkte Berücksichtigung finden können. Auch die Fragen, warum die rechtlichen, aber nicht genetischen Eltern nicht den sicheren Weg zu einer konsentierten, bestandsfesten Verantwortungsübernahme gewählt haben oder warum die genetischen Eltern nicht rechtliche Eltern wurden, mögen in diesem Rahmen Bedeutung entf...