1. Statuswahrheit – Statusklarheit – Statusbeständigkeit

Die schon früher zur rechtlichen Zuordnung von Eltern und Kindern aufgestellte Prinzipien-Trias: Statuswahrheit – Statusklarheit – Statusbeständigkeit dürfte auch für künftiges Recht essentielle Bedeutung haben.[18] Zunächst zum wohl einfachsten Prinzip, der Statusbeständigkeit. Da sich an den Status einer Person – von der Wiege bis zur Bahre – ein Geflecht zahlreicher privat- und öffentlich-rechtlicher Folgen knüpft,[19] sollte dieser Status möglichst wenig Veränderungen erfahren – schon allein, um das Gleichgewicht der Rechte und Pflichten und der Positionen der Beteiligten zueinander nicht zu stören. Die Zuordnung von Eltern und Kindern bedeutet eine im Prinzip – jedenfalls rechtlich – lebenslange Beziehung und sollte dies auch in Zukunft sein. Es gibt zwar durchaus interessante Überlegungen zu einer größeren Flexibilisierung der rechtlichen Zuordnung,[20] im Ergebnis erscheint jedoch die Beständigkeit der rechtlichen Zuordnung – auch aus Gründen des Kindeswohls – für vorzugswürdig.

Außerhalb der Adoption, auf die noch zurückzukommen sein wird, ist daher eine spätestens bei Geburt des Kindes vorzunehmende rechtliche Zuordnung wünschenswert.[21] Diese soll möglichst wenige statusändernde Eingriffe – konkret Anfechtungsmöglichkeiten – erlauben. Dementsprechend sollte es möglichst wenig Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Zuordnung geben.

Ein wohl im Wesentlichen unbestrittenes Prinzip ist die Statusklarheit: Die Regelungen der rechtlichen Zuordnung sollten eindeutig und leicht zu erfassen sein.[22] Konsequent ist es daher, nicht nach verschiedenen Arten der Zeugung, der Herkunft der Keimzellen und der geschlechtlichen Einordnung eines Elternteils zu unterscheiden. Vorzugswürdig sind klare Prinzipien, die möglichst keiner Ausnahmen bedürfen. Leichte Erkennbarkeit und einfache Nachweisbarkeit der Zuordnungsfaktoren sind dafür Voraussetzung.

Am schwierigsten ist die Frage zu beantworten, was das Prinzip der Statuswahrheit bedeutet. Ist die "wahre Eltern-Kind-Beziehung" durch Genetik und Biologie bestimmt oder spielt auch – und wenn ja, in welchem Maße – die persönliche Verantwortungsübernahme für das Kind eine Rolle? Schon das Abstammungsrecht des BGB von 1900 stellte nicht allein auf die genetische Verbindung ab, sondern erkannte auch die konsentierte – oder zumindest stillschweigend akzeptierte – Zeugungshilfe durch einen Dritten an. Dabei nahm es hin, dass der Ehemann die Elternverantwortung hatte, der nur genetische Vater aber von dieser weitgehend entlastet bzw. ausgesperrt war.[23] Damit stellt sich die Frage nach der Gewichtung der verschiedenen Faktoren.

[18] S. auch Reuß, S. 220 ff.
[19] Diese Vielfalt andeutend z.B. D. Schwab, FF 2022, 53, 59.
[20] Für eine an die gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse angepasste größere Flexibilisierung allerdings: von Scheliha, S. 955; Vascovics, in: Schwab/Vascovics, Pluralisierung von Elternschaft und Kindheit, 2011, S. 11, 35 (Beschränkung auf ein Mindestmaß).
[21] Zur Verpflichtung des Gesetzgebers, auch aus dem Grundrecht des Kindes (Art. 2 GG) bei Geburt eine Zuordnung zu mindestens einer Person vorzusehen: BVerfGE 84, 168, 181; von Landenberg-Rohberg, S. 754; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 284.
[22] BVerfGE 108, 82 Rn 59 ff. (klare Zuweisung der Elternrolle erforderlich).
[23] Zu den "rechtlichen Zutaten" der Vaterschaft und den "Varianten" durch Willensakte im geltenden Recht: D. Schwab, FF 2022, 53.

2. Genetisch/biologische Wahrheit vs. Verantwortungsübernahme

a) Begrifflichkeiten

Vorauszuschicken ist zunächst, dass sich diese Erwägungen nicht auf die Formel genetische vs. soziale Elternschaft reduzieren lassen. Denn bei der Zuordnung eines Kindes bei Geburt – und spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte die Zuordnung vorgenommen werden (s.o.) – besteht allenfalls durch die Schwangerschaft eine soziale Beziehung des Kindes zu der gebärenden Person. Das Begriffspaar "biolegal" und "soziolegal"[24] wäre also nicht ganz befriedigend, denn in vielen Konstellationen handelt es sich um einen unter Umständen schon vor der Geburt, möglicherweise sogar vor der Zeugung des Kindes bestehenden Wunsch nach Übernahme der Elternschaft. Um diese Fälle mit einzubeziehen, sollte also besser nicht von sozialer Elternschaft, auch nicht von voluntativer Elternschaft (da die Entstehung des gewünschten Kindes in der Zukunft liegen kann), sondern eher von einer intentionalen Elternschaft gesprochen werden. Dieser intentionalen Elternschaft durch Verantwortungsübernahme steht die genetisch/biologische Elternschaft gegenüber. Mit genetisch/biologisch sollen sowohl Elternschaften bei Keimzellen- und Embryospenden erfasst werden als auch der "nur" gebärende Elternteil (der mit dem Kind immerhin eine biologische, wenngleich keine genetische Verbindung hat).

[24] So Biggel u.a., AcP 221 (2021), 765, 769, 783.

b) Die Rolle der Genetik

Dies voraus geschickt, ist zunächst das genetisch-biologische Kriterium zu betrachten. Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass in einer ganz überwiegenden Mehrzahl von Fällen die genetisch-biologischen Eltern auch die Elternverantwortung...

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