A. Grundlagen des Auseinanderfallens von primärer Darlegungslast und sekundärer Darlegungslast in Beibringungsverfahren
Anwaltlich geschicktes Vorgehen fängt in den Familienstreitsachen i.S.d. §§ 112, 113 FamFG nicht erst auf der Ebene an, welcher Seite ggf. bessere Beweismittel in dem Unterhaltsverfahren, u.U. auch den vermögenrechtlichen Verfahren, zur Verfügung stehen. Mitunter zu wenig Aufmerksamkeit wird dem Gesichtspunkt geschenkt, dass es sich insbesondere bei dem Unterhaltsverfahren – mit einzelnen Aufweichungen etwa in §§ 115, 235 FamFG – angesichts der Verweisung in § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG um einen, dem Beibringungsgrundsatz der ZPO folgenden Prozess handelt. Nicht selten wird in der Praxis ohne Not – nicht nur von Seiten der, die Beteiligten vertretenden Anwälte, sondern mitunter auch von Gerichten – die Darlegungsebene (zu) stiefmütterlich behandelt. Dabei entscheiden sich viele Unterhaltsverfahren gerade auf dieser Ebene. Über § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG greifen nämlich insbesondere die Regeln des § 138 ZPO und die hieraus von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze. Es lohnt sich also, sich näher mit den verschiedenen Konstellationen zu befassen, in denen der Qualität der – primären oder sekundären – Darlegung nicht selten streitentscheidende Wirkung zukommt. Dies soll in diesem Aufsatz zunächst hinsichtlich der insoweit bedeutsamsten allgemeinen Darlegungsregeln im Zivilprozess – und damit auch dem Familienstreitverfahren – entwickelt und sodann für mehrere hoch praxisrelevante Beispiele im familiengerichtlichen Unterhaltsverfahren vertieft werden.
I. Das Wechselspiel der Darlegungslasten im Zivilprozess
Zunächst einmal hat sich der Fachanwalt für Familienrecht zu vergegenwärtigen, dass die Darlegungslast im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes keine Einbahnstraße ist. Vielmehr sind die Erfordernisse des jeweiligen Vortrages in vielfältiger Hinsicht miteinander verwoben. Die höchstrichterliche Rechtsprechung spricht vom "Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag". Allerdings darf die im Ausgangspunkt aufgrund des Beibringungsgrundsatzes im Fokus stehende Darlegungslast nicht überspannt werden. In der Praxis neigen Instanzgerichte indes mitunter dazu, die Darlegungslast zu überspannen, indem zu weitgehende Anforderungen an die Substantiierung gestellt werden. Das verletzt indes das Grundrecht der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und ist auch mit der aus den verfassungsrechtlich geschützten Rechten auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz folgenden Verpflichtung zu einer fairen Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten nicht zu vereinbaren.
Im Einzelnen lassen sich die wichtigsten Grundsätze wie folgt zusammenfassen:
Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen. Je detaillierter der Vortrag der darlegungsbelasteten Partei ist, desto höher ist die Erklärungslast des Gegners. Liegt danach hinreichender Gegenvortrag der nicht darlegungsbelasteten Partei vor, ist es wiederum Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Partei, ihren Sachvortrag zu ergänzen und näher aufzugliedern.
Konkret bedeutet das:
Im ersten Schritt ist die darlegungspflichtige Partei nicht verpflichtet, den streitigen Lebensvorgang in allen Einzelheiten darzustellen, etwa, wann, wo und mit wem eine bestimmte Vereinbarung getroffen wurde. Vielmehr genügt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zunächst die Wiedergabe der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben.
Damit gilt im zweiten Schritt:
Keine Erklärung schuldet der Gegner zu unschlüssigem, d.h. die Rechtsbehauptung nicht stützendem Tatsachenvortrag.
Hat der Kläger seine Tatsachenbehauptung substantiiert aufgestellt, muss der Beklagte sie auch substantiiert bestreiten, das heißt, er muss konkreten Gegenvortrag leisten. Tut er das nicht, gilt die klägerische Behauptung als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Der Beklagte ist allerdings nicht verpflichtet, zur Substantiierung ein Gegengutachten einzuholen, wenn der Kläger seine Behauptung mit einem Parteigutachten untermauert.
Behauptet der Kläger dagegen lediglich das Vorliegen der Tatsache ohne Substanz, kann der Beklagte sich (zunächst) auf ein einfaches Bestreiten zurückziehen.
Im dritten Schritt ist es im letztgenannten Fall wiederum Aufgabe des Klägers, nunmehr seinen Tatsachenvortrag näher zu substantiieren. Erfüllt er diese Substantiierungslast, muss wiederum der Gegner – vorbehaltlich eines zulässigen Bestreitens mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO – seinerseits eine substantiierte Sachverhaltsdarstellung abgeben.