Interview mit Elisabeth Winkelmeier-Becker, MdB

Einführung

Schnitzler/FF: Vor 25 Jahren im Mai 1997 haben wir im ersten Heft der Zeitschrift Forum Familienrecht ein Interview in Bonn mit dem Rechtsanwalt und Notar Horst Eylmann, dem damaligen Vorsitzenden des Rechtsausschusses geführt. An diese Tradition wollen wir gerne anknüpfen. Mit dem Bundesjustizminister Marco Buschmann werden wir zu gegebener Zeit ein Interview führen, wenn erkennbar ist, welche Gesetzgebungsvorhaben vorgesehen sind.

Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit hat er allerdings benannt, er will nämlich eine große Familienrechtsreform auf den Weg bringen.

Vieles ist in der letzten Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet worden.

Sehen Sie, ähnlich wie die Anwaltschaft, eine Notwendigkeit für umfangreiche Reformen?

Winkelmeier-Becker: Ein Familienrecht auf der Höhe der Zeit muss gesellschaftliche Veränderungen und auch Weiterentwicklungen der Fortpflanzungsmedizin berücksichtigen. Vieles kann im Rahmen der flexiblen Regelungen des geltenden Familienrechts abgebildet werden, aber auch einige Veränderungen erscheinen sinnvoll. Im Zentrum stehen immer das Wohl des Kindes sowie die Anforderungen des alltäglichen Zusammenlebens von Familien, die möglichst rechtssicher und unkompliziert unterstützt werden sollten. Bei der von der Ampel-Koalition noch nicht näher definierten "Verantwortungsgemeinschaft" bleibt abzuwarten, wie die Ausgestaltung aussehen wird. Geht es hierbei nur um einfache Auskunftsrechte (z.B. auf der Intensivstation im Krankenhaus), bei denen auch eine lebensnähere Regelung des Datenschutzes oder eine einfache Vollmacht ausreichen würde? Oder muss im oft genannten Beispielsfall einer Gemeinschaft von zwei oder drei alleinerziehenden Müttern zunächst eine Auseinandersetzung mit Zugewinnausgleich erfolgen, bevor eine von ihnen den Vater ihres Kindes heiraten kann? Das sind Fragen und Konsequenzen, die mitbedacht werden müssen. Bisher ist uns nur ein alter Antrag der FDP dazu (BT-Drucks 19/16454) bekannt, der viele Fragen offen ließ.

Schnitzler/FF: Inzwischen war Justizminister Marco Buschmann auch im Rechtsausschuss zu Gast. Ich gehe davon aus, dass es sich nicht nur um einen reinen Höflichkeitsbesuch des Ministers gehandelt hat, sondern auch erörtert wurde, wie die weitere Planung für die nächsten Monate aussieht, da ja mehrere Reformvorhaben anstehen.

Winkelmeier-Becker: Minister Buschmann hat im April seinen Antrittsbesuch im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags absolviert. Dabei gab es einen konstruktiven Austausch mit den Abgeordneten zu rechtspolitischen Vorhaben dieser Legislaturperiode. Die Familienrechtsreform soll anscheinend dabei ein großes Projekt sein.

Schnitzler/FF: Nach den umfangreichen Anhörungen und Erörterungen in dem Expertengremium dürften zunächst zwei Bereiche anstehen, nämlich

Im Abstammungsrecht muss die Zuordnung von Kindern zu den Eltern neu justiert werden. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang auch die Frage der Leihmutterschaft abstammungsrechtlich geregelt werden müssen sowie die Frage der Mitmutterschaft bei zwei Frauen, die miteinander verheiratet sind, wobei eine Frau bereits ein Kind mit in die Ehe bringt.

Winkelmeier-Becker: Zunächst: in den allermeisten Fällen werden Kinder in eine bestehende Ehe oder Paarbeziehung geboren, ohne jeden Anlass, eine Zuordnung ihrer Eltern zu problematisieren. Wird ein Kind in eine lesbische Ehe oder Beziehung hinein geboren, ist aus meiner Sicht die Rolle des biologischen Vaters zu klären. Bei einer assistierten Samenspende ist diese Rolle geklärt; deshalb sollte hier die Partnerin der Mutter gleichgestellt werden wie bei einer heterosexuellen Beziehung. In anderen Fällen braucht es ein sicheres Verfahren zur Klärung, ob der Vater eigene Sorgerechte wahrnehmen will. Außerdem ist wichtig, das Recht des Kindes zu sichern, seine biologische Abstammung zu erfahren. Aus meiner Sicht muss Leihmutterschaft verboten bleiben. Sie ist unvereinbar mit der Menschenwürde. Eine Leihmutterschaft degradiert das Kind zum Objekt und birgt erhebliche Risiken und Gefahren für das Kind, aber auch für die Frauen und verstößt gegen fundamentale Wertentscheidungen unserer Rechtsordnung. Schon durch die Schwangerschaft entsteht eine enge körperliche und psychosoziale Verbindung zwischen Mutter und Kind. Streitigkeiten im Ausland zwischen Wunscheltern und Leihmüttern über die Abtreibung, z.B. im Fall einer Behinderung, oder über die Herausgabe "bestellter" Kinder verdeutlichen die ethische und rechtliche Problematik. Im Abstammungsrecht muss auch deswegen daran festgehalten werden, dass die Mutter nur diejenige Frau ist, die das Kind geboren hat. Wir müssen weiterhin kluge Grenzen ziehen zum Wohle des Kindes, das grundsätzlich ein Recht auf Eltern hat. Umgekehrt haben Erwachsene nicht ein Recht auf ein Kind.

Schnitzler/FF: Eine weitere Baustelle ist zweifellos das Kindschaftsrecht. In diesem Zusammenhang gab es ebenfalls eine Arbeitsgruppe, die vom BMJV in der letzten Legislaturperiode installiert worden u...

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