a) Problem: Vergleich mit der Veräußerung vor dem Stichtag
Ein weiteres Problem beim Abzug der latenten Steuer liegt darin, dass es damit zur Ungleichbehandlung von im Grunde gleichen Fällen kommen kann. Für die Annahme des BGH, dass es irrelevant sei, ob der betreffende Vermögensgegenstand tatsächlich veräußert werden soll oder nicht, könnte auf den ersten Blick zwar sprechen, dass die Fälle mit und ohne Veräußerung damit hinsichtlich des Abzugs der latenten Steuer gleichbehandelt würden. Zugleich würden sich damit auch Prognosen über die Wahrscheinlichkeit einer Veräußerung erledigen.
Übersehen wird damit aber, dass die These von der Gleichbehandlung nicht aufgeht, wenn man den Fall der fiktiven Veräußerung mit dem Fall einer tatsächlichen Veräußerung vor dem Stichtag vergleicht. Hier kommt man nämlich zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Wird das Unternehmen nicht veräußert, wird laut BGH die fiktive Ertragsteuer vom ermittelten Unternehmenswert abzogen. Wird das Unternehmen hingegen noch kurz vor dem Stichtag, also vor Einreichung der Scheidung, veräußert, muss man den eingenommenen Kaufpreis im Endvermögen in vollem Umfang bilanzieren, ohne die Steuer abziehen zu dürfen. Zu beachten ist nämlich, dass die Ertragsteuer – als unselbstständger Teil der Einkommensteuer – erst zum Jahresende bzw. erst zum 1.1. des Folgejahres entsteht und fällig wird. Es handelt sich mithin zum Stichtag lediglich um eine künftige Verbindlichkeit. Künftige Forderungen oder Verbindlichkeiten sind in die Zugewinnausgleichsbilanz indes nicht einzustellen. Das ist Folge des Stichtagsprinzips.
In Bezug auf private Veräußerungsgeschäfte bzw. die Spekulationssteuer ergibt sich derselbe Wertungswiderspruch. Im Fall einer Grundstücksveräußerung kurz vor dem Stichtag muss der volle Verkaufserlös im Endvermögen bilanziert werden, ohne dass die damit verbundene tatsächliche Steuerlast abgezogen werden dürfte. Sofern man das Grundstück aber behält, darf der Wert reduziert um die fiktiven latenten Steuern bilanziert werden. Dass diese Ergebnisse unstimmig sind, liegt auf der Hand. Einmal wird eine Steuerlast abgezogen, obwohl sie voraussichtlich nie anfallen wird, im anderen Fall fällt sie an, wird aber nicht beachtet. Auch mit dem Schematismus des Zugewinnausgleichs kann man das nicht rechtfertigen. Zumindest diesem Wertungswiderspruch müsste abgeholfen werden.
b) Lösung über Berücksichtigung der wirtschaftlichen Steuerlast als Verbindlichkeit
Im Schrifttum wurde als mögliche Lösung vorgeschlagen, die Steuerlast hier in allen Fallvarianten als Abzugsposten zu berücksichtigen, also unabhängig davon, ob bzw. wann die Steuerverbindlichkeit im Rechtssinne entsteht. Danach könnte auch derjenige, der die Veräußerung kurz vor dem Stichtag vornimmt, die Steuer abziehen bzw. als Verbindlichkeit im Sinne der §§ 1374, 1375 BGB bilanzieren. Es würde genügen, dass die Steuer "wirtschaftlich" noch dem Zeitraum zuzuordnen ist, der vor dem Stichtag liegt, also der gesetzliche Besteuerungstatbestand bis zum Stichtag verwirklicht worden ist. Für diesen Lösungsvorschlag könnte auch sprechen, dass das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen nur dasjenige ist, welches netto nach Abzug der darauf lastenden Steuern verbleibt. Zwar könnte die Steuerlast endgültig erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums berechnet werden, aber das gilt für die fiktive Ertragsteuer in gleicher Weise.
Der Gedanke einer wirtschaftlichen Zuordnung der Steuerlast ist auch aus dem Insolvenzrecht bekannt. Für die Zuordnung eines steuerrechtlichen Anspruchs zur Insolvenzmasse genügt es, dass der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt bzw. der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht ist, z.B. durch Veräußerung des Vermögensgegenstandes. Auch rechentechnisch wäre eine zeitratierliche Zuordnung der Steuerlast – teilweise zum Zeitraum vor dem Stichtag, teilweise zum Zeitraum nach dem Stichtag – durchaus machbar. Eine taggenaue Abrechnung erfolgt etwa im Fall des Todes eines Steuerpflichtigen. Der damit verbundene Mehraufwand wäre im Sinne gerechterer Ergebnisse hinzunehmen. Zugleich würde sich der Spielraum für taktische Überlegungen deutlich reduzieren. Nach gegenwärtiger Praxis hingegen wird dem Ausgleichspflichtigen zum Beispiel empfohlen, beim Finanzamt hohe Steuervorauszahlungen zu erreichen, um zum Stichtag weniger Endvermögen zu haben.
Gegen den Ansatz der "wirtschaftlichen Steuerlast" spricht jedoch, dass man ihn kaum auf die Ertra...