1. Einführung
Wurde der Wert eines Unternehmens (oder eines sonstigen Vermögensgegenstandes) methodengerecht ermittelt, stellt sich die Frage, ob das bereits der endgültige Wert ist, den man im Zugewinnausgleich in die Bilanz des Endvermögens einzustellen hat. Der BGH und die h.M. verneinen dies mit dem Hinweis darauf, dass Zugewinnausgleich in Geld geschuldet werde. Deshalb sei auf den hypothetischen Veräußerungsfall abzustellen und zu ermitteln, welcher Geldbetrag insoweit tatsächlich zu erlangen wäre. Folglich dürften auch sämtliche hypothetischen Veräußerungskosten abgezogen werden.
Im Fall der Veräußerung eines Unternehmens können diverse Transaktionskosten anfallen, z.B. Gutachterkosten, Maklerkosten, Notarkosten, Registerkosten. Insoweit wären entsprechende Schätzungen vorzunehmen und der ermittelte Betrag vom Gegenstandswert abzuziehen. Außerdem würden bei Veräußerung eines Unternehmens regelmäßig Ertragsteuern anfallen. Laut BGH sind diese fiktiven bzw. "latenten" Steuern ebenfalls vom ermittelten Unternehmenswert abzuziehen. Erst der insoweit bereinigte Wert sei in die Vermögensbilanz einzustellen.
2. Steuerrechtliche Grundlagen zur Ertragsteuer
Ertragsteuern sind die Steuern, die bei einer Veräußerung auf den Veräußerungsertrag entfallen. Ausgangspunkt ist § 16 Abs. 1 EStG, welcher unter anderem den Veräußerungsgewinn bei Veräußerung eines Gewerbebetriebs der Einkommensteuer unterstellt. Veräußerungsgewinn ist nach § 16 Abs. 2 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den (Buch-)Wert des Betriebsvermögens (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) übersteigt. Besteuert wird damit der mit der Aufdeckung stiller Reserven realisierte Vermögenswert.
Will man die Ertragsteuer im Einzelfall – hypothetisch – berechnen, muss somit zunächst der Wert der stillen Reserven bestimmt werden. Ist der Steuerpflichtige 55 Jahre oder älter (oder dauernd berufsunfähig), ist allerdings nur der Gewinn zu besteuern, der den Betrag von 45.000 EUR übersteigt, § 16 Abs. 4 S. 1 EStG. Dieser Freibetrag reduziert sich in dem Umfang, in dem der Gewinn insgesamt den Betrag von 136.000 EUR übersteigt, kann sich also auch auf null reduzieren, § 16 Abs. 4 S. 2 EStG. Für Freiberufler gilt nach § 18 Abs. 3 S. 2 EStG Entsprechendes.
Bei den Veräußerungsgewinnen handelt es sich um außerordentliche Einkünfte (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Zur Ermittlung des konkreten Steuerbetrags vergleicht man die Steuern, die auf das, um die außerordentlichen Einkünfte verminderte, zu versteuernde Einkommen entfallen, mit denjenigen Steuern, die sich ergäben, wenn man zu dem genannten Betrag ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte hinzurechnen würde. Dieser Betrag wird wiederum mal 5 genommen, um die gesamten Einkünfte zu erfassen, § 34 Abs. 1 EStG. Man spricht von der Fünftel-Methode. Ist der Steuerpflichtige 55 Jahre oder älter, kann nach § 34 Abs. 3 EStG wahlweise auf Antrag auch eine Besteuerung mit dem halben Durchschnittssteuersatz gewählt werden. Dieser niedrigere Steuersatz kann aber höchstens für einen (Teil-)Betrag von 5 Mio. EUR geltend gemacht werden und auch nur einmal im Leben des Steuerpflichtigen.
Einschlägige Fälle zeigen, dass der Betrag der Ertragsteuer durchaus im sechs- oder siebenstelligen Bereich liegen kann. In einem BGH-Fall von 2011, betreffend eine Steuerberaterpraxis, waren es immerhin 144.000 EUR. Da macht es zweifellos einen Unterschied, ob man diesen Betrag vom ermittelten Unternehmenswert abziehen darf oder nicht, bevor der Wert in die Zugewinnausgleichsbilanz übernommen wird.
3. Die Thesen des BGH zum Abzug der latenten Steuern
Laut BGH sind diese latenten Steuern im Zugewinnausgleich als Abzugsposten zu behandeln. Vom methodengerecht ermittelten Unternehmenswert ist die (fiktive) Ertragsteuer abzuziehen, die im Fall einer hypothetischen Veräußerung des Unternehmens anfallen würde. Dabei geht es nicht um den selbstständigen Ansatz einer solchen hypothetischen Steuerverbindlichkeit im Endvermögen, sondern lediglich um einen (vorgelagerten) unselbstständigen Bewertungsfaktor bei der Wertermittlung. Der Steuerabzug wird als Teil bzw. Konsequenz der Bewertungsmethode gesehen, welche auf die fiktive Veräußerung zum Stichtag abstellt. Und Ertragsteuern seien insoweit unvermeidbare Veräußerungskosten. Irrelevant ist, ob eine Veräußerung tatsächlich in absehbarer Zeit geplant oder auch nur wahrscheinlich ist. Entsprechendes soll aus Gleichbehandlungsgründen für Steuern gelten, die bei der Veräußerung von W...