Ob der BGH mit dem Abzug der latenten Steuern den richtigen Weg eingeschlagen hat, ist umstritten. Zur näheren Analyse des Problems soll zunächst überlegt werden, was es genau bedeutet, wenn man auf den hypothetischen Veräußerungsfall abstellt.
1. Erstreckung auch auf das Anfangsvermögen
Der erste Punkt wäre, dass man den Abzug der latenten Steuern beim Zugewinnausgleich nicht auf das Endvermögen beschränken dürfte, sondern in gleicher Weise auf das Anfangsvermögen erstrecken müsste. Bestand ein Unternehmen schon bei Heirat, müsste folglich bezogen auf den damaligen Zeitpunkt die damals im Veräußerungsfall hypothetisch angefallene Ertragsteuer berechnet werden. Waren damals Grundstücke vorhanden, müsste die entsprechende Spekulationssteuer abgezogen werden usw. Ob der BGH diese Konsequenz seiner Thesen erkannt hat, wird von manchen bezweifelt.
Jedenfalls ist das nicht ganz unaufwändig, zumal das damalige Steuerrecht zugrunde zu legen wäre und der damalige Gesamtbetrag des zu versteuernden Einkommens etc., da es stets um die einzelfallbezogene Ermittlung der Steuer nach den individuellen Steuermerkmalen des jeweiligen Ehegatten geht. Gerade bei Unternehmen wird sich die Steuerlast oft nur schwer quantifizieren lassen, weil sie von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Auch wenn man dazu gewisse Schätzungen zulassen sollte, wird man meist nicht ohne Fachanwalt für Steuerrecht auskommen. Abgesehen davon zeigt sich gerade mit Blick auf das Anfangsvermögen, dass es seltsam anmutet, wenn hier eine latente Steuer abgezogen wird, obwohl man zum gegenwärtigen Zeitpunkt genau weiß, dass diese Steuer tatsächlich nie angefallen ist.
2. Die Berücksichtigung des Tax Amortisation Benefit
Ein weiterer Aspekt, auf den der BGH bislang nicht eingegangen ist, betrifft bei der Unternehmensveräußerung die steuerliche Abschreibungsfähigkeit des Kaufpreises für den Unternehmenskäufer, soweit es um eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen geht. Die Aufdeckung der stillen Reserven beim Veräußerer führt zugleich zu erhöhten Anschaffungskosten beim Erwerber und insoweit auch zu einem Abschreibungspotenzial bzw. zu einem abschreibungsbedingten Steuervorteil, einem Tax Amortisation Benefit (TAB). Dieser Vorteil kann im Einzelfall anscheinend beträchtlich sein und ggf. bewirken, dass ein Erwerber bereit ist, einen höheren Kaufpreis (als den Verkehrswert) zu zahlen.
Demgemäß wird die Meinung vertreten, dass dieser Umstand bei der Betrachtung der fiktiven Veräußerung des Unternehmens miteinkalkuliert werden müsse. Im genannten Standard zur Unternehmensbewertung im Familien- und Erbrecht (IDW S 13) ist seit 2016 auch explizit aufgeführt, dass – nachdem auf der ersten Stufe der objektivierbare Unternehmenswert festgestellt sei – der TAB auf der zweiten Stufe bei der Ermittlung des konkreten Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen sei; dort finden sich auch Erläuterungen zur Berechnung des Steuervorteils.
Daran anknüpfend sagen manche nun, dass sich die beiden Faktoren – der kaufpreiserhöhende TAB einerseits und der wertmindernde Abzug der latenten Steuer andererseits – im Einzelfall wertmäßig ausgleichen könnten, weshalb es naheliegen könnte, beide Faktoren von vornherein gänzlich zu vernachlässigen. Das hätte auch den Vorteil, dass man sich alle damit verbundenen, zweifellos aufwändigen Berechnungen ersparen könnte. Andere wiederum verweisen darauf, dass man das alles näher prüfen müsse, dass die Höhe des TAB von der konkreten steuerlichen Situation des jeweiligen Erwerbers abhänge, welche bei einer fiktiven Veräußerung gar nicht feststellbar sei und dass auch unklar sei, ob ein Käufer im Einzelfall tatsächlich bereit sei, allein wegen des etwaigen TAB einen höheren Kaufpreis zu zahlen. Dem könnte man aber wieder entgegenhalten, dass sich jeder Verkäufer bemühen würde, einen Käufer zu finden, der aufgrund des abschreibungsbedingten Steuervorteils auch bereit ist, einen entsprechend höheren Preis zu zahlen.
Es zeigt sich jedenfalls, dass das Abstellen ...