Es gibt jedoch noch weitere Argumente, die gegen den Abzug von fiktiven Steuerlasten im Zugewinnausgleich sprechen.
1. Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz
Dem Zugewinnausgleich immanent ist, wie eingangs bereits festgehalten wurde, der in Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG verankerte Halbteilungsgrundsatz. Gem. § 1378 Abs. 1 BGB wird die Hälfte des Überschusses als Ausgleichszahlung geschuldet. Halbteilung kann insoweit nur bedeuten, dass ein vorhandener Wert den Ehegatten zu wertmäßig gleichen Teilen zukommen soll. Eben das ist jedoch im Fall des Abzugs einer fiktiven Steuer, die tatsächlich zeitnah nicht anfallen wird, entgegen der Auffassung des BGH gerade nicht gewährleistet.
Das verdeutlicht ein einfaches Rechenbeispiel. Für ein im Endvermögen anzusetzendes Unternehmen ist ein objektiver Verkehrswert von 1000 Geldeinheiten ermittelt worden. Der Halbteilungsgrundsatz würde dann im Grunde bedeuten, dass jedem Ehegatten 500 GE zuzuordnen wären. Die Rechtsprechung erlaubt dem Unternehmensinhaber allerdings, die fiktive Ertragsteuer abzuziehen. Deren Wert soll hier mit 400 GE angesetzt werden. Somit wären nur noch 600 GE zu verteilen. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte erhielte folglich 300 GE, während dem Ausgleichspflichtigen, der sein Unternehmen fortführt und real keine Ertragsteuer zahlen muss, nun 700 GE verblieben. Infolge des Ansatzes einer fiktiven Steuer kommt es mithin zu einer massiven Wertverschiebung und zwangsläufig auch zu einem Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz. Der nach dem Gesetzeskonzept der Zugewinngemeinschaft gemeinsam erarbeitete Vermögenswert wird weder vollständig, noch zu gleichen Teilen ausgeglichen. Zum Teil wird auch bezweifelt, ob das einer verfassungsrechtlichen Überprüfung Stand halten würde. Bei Grundstücken würde es in Bezug auf die Spekulationssteuer im Übrigen nicht anders liegen.
2. Unzulässige Vermischung von objektiver Wertermittlung und subjektiven Faktoren
Ein weiteres Problem ist, dass der BGH objektive und subjektive Faktoren der Wertermittlung miteinander vermischt, womit letztlich auch das Stichtagsprinzip umgangen wird. Nach einhelliger Meinung ist bei der Wertermittlung auf den vollen, wirklichen Wert bzw. den objektiven Verkehrswert der Vermögensgegenstände abzustellen. Für diesen Wert ist es jedoch irrelevant, ob es zu Lasten einer bestimmten Person im Fall einer etwaigen Veräußerung zu einem bestimmten Zeitpunkt unter bestimmten Umständen zum Anfall einer Ertrag- oder Spekulationssteuer kommt. Die Steuer beeinflusst den Verkehrswert nicht, und zwar auch nicht im Fall einer tatsächlichen Veräußerung. Die Steuer ist auch kein Wertfaktor, welcher dem Unternehmen oder Grundstück anhaftet oder für den Käufer von Interesse wäre.
Daher ist die These des BGH, dass der Abzug bereits Teil oder Konsequenz der gewählten Bewertungsmethode sei, nicht nachvollziehbar. Das Ertragswertverfahren als solches sieht den Abzug der latenten Steuer ebenfalls nicht vor. Auch im Bewertungsstandard IDW S 13 wird strikt unterschieden zwischen der objektiven Wertermittlung auf der ersten Stufe und der weiteren Überleitung vom objektivierten Unternehmenswert zum Ausgleichsanspruch entsprechend den BGH-Vorgaben auf der zweiten Stufe. Der Abzug der Steuer ist somit kein Teil der Wertermittlung.
Im echten Veräußerungsfall wäre es im Übrigen auch so, dass Ertrag- und Spekulationssteuern zum Stichtag gerade noch nicht anfallen würden, sondern erst zum Ende des Veranlagungszeitraums. Solche erst künftigen Verbindlichkeiten dürften indes nicht in die Bilanz eingestellt werden. Durch die Einordnung des Steuerabzugs als unselbstständigen Teil der Wertermittlung wird das Stichtagsprinzip letztlich missachtet.
Abgesehen davon gilt beim Zugewinnausgleich grundsätzlich, dass Verbindlichkeiten nur berücksichtigt werden, sofern sie tatsächlich bestehen. Soweit der Bestand oder Umfang von Forderungen unsicher ist, sind entsprechende Abschläge vorzunehmen. Überträgt man das auf Verbindlichkeiten wegen latenter Steuerlasten, wäre es konsequent, diese Verbindlichkeiten nur zu berücksichtigen, sofern die Steuer nach dem Stand der Dinge tatsächlich oder doch sehr wahrscheinlich anfallen würde. Die Berücksichtigung einer erkennbar nie anfallenden Steuerlast hingegen muss ausscheiden. Es gibt auch keine Besteuerung fiktiver Tatbestände. Außerdem bleibt erneut an den bereits beschriebenen Wertungswiderspruch zu erinnern. Es leuchtet nicht ein, dass nicht entstandene und nie entstehende (fiktive) Steuern abgezogen werden dürfen, während tatsächliche Einkommensteuern, die aus steuertechnischen Gründen erst im Folgejahr entstehen, nicht berücksichtigt werden dürfen.