Eicher/Luik/Harich5., neu bearbeitete Auflage. 2021, C.H.BECK, 2436 SeitenISBN 978-3-406-76984-9, 109 Euro
Zum Ende letzten Jahres ist in der Reihe der "Gelben Kommentare" des Beck-Verlages die 5. Auflage des von Eicher und Spellbrink begründeten Kommentars zum SGB II – der Grundsicherung für Arbeitssuchende – erschienen. Auch nachdem sich der letzte Gründungsvater aus dem Kreis der Herausgeber zurückgezogen hat, bleibt „Eicher“ weiterhin als Marke mit dem Werk verbunden. Die Herausgeberschaft für das inzwischen auf über 2.400 Seiten angewachsene Werk liegt nun in den Händen der Richter am Bundessozialgericht Steffen Luik und Björn Harich. Wie alle Kommentare dieser Reihe ist es aus der Praxis für die Praxis geschrieben. Dafür steht das Team von 17 Autorinnen und Autoren, die vornehmlich in allen Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit tätig sind.
Der Werkstand entspricht der Gesetzeslage zum Ende der Legislaturperiode. Dies schließt die in den Sozialschutzpaketen I-III anlässlich der COVID-19-Pandemie ergangenen Sonderregeln ebenso ein wie die grundlegende Neugestaltung des Kinderzuschlags (§§ 6a, b BKGG) durch das Starke-Familiengesetz. Damit ist die größtmögliche Aktualität gewährleistet.
Den Auftakt der Kommentierung bildet jeweils ein "Normprogramm", in dem Inhalt, Zweck und Systematik der Vorschriften sowie ihre Gesetzgebungsgeschichte vorgestellt werden. Hierauf folgt die an Text und Struktur der Norm orientierte Kommentierung, die neben der einschlägigen Rechtsprechung ebenso den wichtigen verfassungsrechtlichen Bezügen gerecht wird und kontroversen Standpunkten den gebotenen Raum gibt (z.B. G. Becker, § 7 Rn 128 f., Stiefkinder). Zusammen mit den im Kontext der jeweils einschlägigen Vorschriften abgedruckten Verordnungen und seinem umfangreichen Sachverzeichnis bietet das Werk einen unmittelbaren Zugang zu allen sich aus dem SGB II ergebenden Fragestellungen.
Zu diesen gehören u.a. zahlreiche familienrechtliche Probleme, mit denen die Sozialgerichte seit vielen Jahren konfrontiert sind und denen sich letztinstanzlich das Bundessozialgericht in einer sehr differenzierten Rechtsprechung angenommen hat. Beispielhaft zu nennen sind hier Fragen des Umgangs (S. Knickrehm, § 21 Rn 64, 74 f.), der Mehrbedarf Alleinerziehender beim Wechselmodell (S. Knickrehm, § 21 Rn 29a), die umfangreiche Kasuistik zu den angemessenen Wohnkosten (Luik, § 22, Rn 114 f.) sowie die Grenzen des einzusetzenden Einkommens (Schmidt, § 11b Rn 42 f.). Die Bedeutung dieser Rechtsprechung reicht weit über das Sozialrecht hinaus, weil sie zugleich Maßstäbe für das Familienrecht setzt, wenn u.a. im Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils ein täglicher Bedarf des Kindes von 1/30 des Regelsatzes zu decken ist (temporäre Bedarfsgemeinschaft – G. Becker, § 7 Rn 126f) oder es sich um die sozialrechtlichen Voraussetzungen der beim Regress erforderlichen Vergleichsberechnung handelt (Schmidt, § 33 Rn 51 f.). Ohne fundierte Informationen über diese sozialrechtlichen Zusammenhänge und ihre Ausstrahlung auf das familienrechtliche Normengefüge lassen sich solche und andere Überschneidungen nicht sachgerecht bewältigen.
Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende hält die vorliegende Kommentierung das erforderliche Rüstzeug bereit, um auf sozialrechtliche Fragestellungen schnell verlässliche Antworten zu erhalten. Das Werk empfiehlt sich daher für alle schwerpunktmäßig im Familienrecht tätigen Professionen als ein verlässlicher Begleiter bei Rechtsberatung und Rechtsanwendung.
Autor: Heinrich Schürmann
Heinrich Schürmann, VorsRiOLG a.D., Münster
FF, S. 335 - 336