1. Gefahr von Aufzeichnungen
§ 128a Abs. 3 S. 1 ZPO bestimmt, dass die Verhandlung per Videokonferenz nicht aufgezeichnet wird. Die Bedeutung der Norm ist umstritten: Während nach einer Auffassung das Gericht die Verhandlung aufzeichnen darf, es aber nicht muss, wird zum Teil vertreten, das Gericht müsse die Aufzeichnung wirksam unterbinden. Letztere Forderung ist schon technisch nicht umsetzbar, da es immer Wege geben wird, eine Videoübertragung aufzunehmen, z.B. durch sog. Screen Recorder oder außerhalb des einsehbaren Bereichs versteckte Kameras. Sie geht im Übrigen auch zu weit: solange es keine besonderen Anhaltspunkte für die Annahme hat, dass ein Beteiligter die Verhandlung unzulässiger Weise mitschneidet, muss das Gericht darauf vertrauen, dass dies nicht geschieht, zumal jedenfalls die unerlaubte Aufzeichnung des nicht öffentlich – z.B. in einer familiengerichtlichen Verhandlung – gesprochenen Wortes gem. § 201 StGB strafbar ist. Um das Risiko einer Video- oder Audioaufnahme zu minimieren, sollte aber jedenfalls eine Software zum Einsatz kommen, die den Teilnehmenden eine solche nicht ermöglicht. Außerdem sollte das Gericht auf die Strafbarkeit gem. § 201 StGB hinweisen und etwaige Verstöße konsequent zur Anzeige bringen. Und allgemein gilt: in besonders heiklen Fällen, insbesondere hochkonflikthaft geführten Kindschaftsverfahren, sollte das Gericht im Zweifel von der Verhandlung per Videokonferenz absehen.
2. Der "andere Ort" und die Frage der Säumnis
Umstritten ist, an welchem "anderen Ort" i.S.v. § 128a Abs. 1 ZPO sich ein Beteiligter zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz aufhalten darf. In Literatur und Rechtsprechung bildet sich eine Tendenz dahingehend heraus, als anderen Ort jeden Ort zuzulassen, von dem aus der zugeschaltete Beteiligte in geordneter Weise an der Verhandlung teilnehmen kann. Umstritten ist, ob das Gericht den "anderen Ort" in der die Videoverhandlung gestattenden Entscheidung festlegen muss. Fraglich ist auch, welche prozessualen Folgen es hat, wenn ein Beteiligter von einem anderen als dem vom Gericht bestimmten "anderen Ort" aus an der Verhandlung teilnimmt. Dazu wird zum Teil vertreten, die betreffende Person sei als nicht erschienen zu behandeln, so dass ggfs. eine Säumnisentscheidung ergehen müsse, obwohl die zugeschaltete Person technisch störungsfrei mit dem Gericht und allen anderen Beteiligten kommunizieren kann. Windau schlägt demgegenüber vor, eine Säumnis nur anzunehmen, wenn ein Beteiligter weder im Gerichtssaal noch mittels technisch vermittelter Übertragung per Bild und Ton zur Sache verhandelt. Aus rein praktischer Sicht erscheint das als überzeugend, zumal das Gericht ohnehin regelmäßig nicht prüfen kann, ob es sich bei dem Übertragungsort um den zuvor abgestimmten handelt. Allerdings müssen jedenfalls solche Orte als "anderer Ort" ausscheiden, die ihrem Charakter nach für eine geordnete Verhandlung ungeeignet sind (Strand, Sportstudio, öffentliche Plätze etc.). Dem LAG Düsseldorf ist darin zuzustimmen, dass das Gericht in einem solchen Fall ebenso wie bei anderen Störungen durch zugeschaltete Personen die Bild- und Tonübertragung abbrechen oder Ordnungsmittel verhängen kann. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass die Sitzungspolizei gem. §§ 176 ff. GVG auf den Sitzungssaal beschränkt ist, ist zu berücksichtigen, dass der Erfolgsort einer auf diese Weise verursachten Störung der Sitzungssaal als eigentlicher Verhandlungsort ist. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können sitzungspolizeiliche Maßnahme auch auf Räume erstreckt werden, von denen aus Störungen der Sitzung erfolgen können. Nichts anderes kann im Zeitalter der Internetkonferenz für digital zugeschaltete Personen gelten. Bricht das Gericht die Zuschaltung in einer solchen Situation ab, stellt sich allerdings wiederum die Frage, ob gegen dadurch an der Verhandlung gehinderte Beteiligte eine Versäumnisentscheidung ergehen kann. Bei Präsenzverhandlungen ist eine Säumnisentscheidung ausgeschlossen und eine dennoch ergehende Versäumnisentscheidung ungesetzlich, wenn ein Grund zur Vertagung von Amts wegen gem. § 337 ZPO besteht, u.a. also, wenn die säumige Person ohne Verschulden am Erscheinen bzw. der Verhandlung gehindert ist. Entsprechendes muss bei Videoverhandlungen gelten.
Bei technisch bedingten Übertragungsproblemen gilt derselbe Maßstab. Zu Recht hat das OLG Celle deshalb entschieden, dass eine Verhandlung zu vertagen ist, wenn eine Partei an der Videoverhandlung nicht teilnimmt, weil die Übertragung aus ihr nicht zuzurechnenden ungeklärten technischen Gründen nicht zustande kommt. Zugleich führt das Gericht aus, dass die besonderen Risiken dieser Verfahrensweise nicht auf die per Video zugeschaltete Partei abgewälzt werden dürfen. Konkret hatte die Partei im entschiedenen Fall die nicht zustande gekommene Verbindung nicht schon deshalb zu vertreten, weil sie im Vorfeld keine Tes...