BGB § 1601 ff. § 1605 Abs. 2 § 1606 Abs. 3 § 1610 § 1613 Abs. 1; FamFG § 59 Abs. 1 § 66
Leitsatz
1. Auch wenn der Zusatz im Tenor einer gerichtlichen Entscheidung, "Geleistete Zahlungen sind anzurechnen" mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckbar ist, ist die Beschwerdebefugnis des Antragsgegners gegeben, weil er zur Zahlung eines laufenden Mehrbedarfs unter Anrechnung erbrachter Zahlungen verpflichtet worden ist, ohne dass erkennbar ist, ob und ggf. in welcher Höhe Zahlungen in Abzug zu bringen sein sollen. (Rz. 64 ff.)
2. Eine bedingte unselbstständige Anschlussbeschwerde ist zulässig, wenn sie lediglich von einem sogenannten "innerprozessualen Vorgang" abhängt, der auch in einer bestimmten Entscheidung des Gerichts bestehen kann, sodass die Wirksamkeit der Prozesshandlung spätestens bei Abschluss des Verfahrens feststeht (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1983 – VII ZR 72/83, NJW 1984, 1240, beck-online m.w.N.). (Rz. 67 f.)
3. Bei den Kosten für die Nachmittagsbetreuung in der offenen Ganztagsschule handelt es sich unterhaltsrechtlich um Mehrbedarf des Kindes, wenn die offene Ganztagsschule nicht nur eine Hausaufgabenbetreuung bietet, die grundsätzlich auch vom betreuenden Elternteil zu leisten wäre, sondern darüber hinaus über ein umfangreiches Kursprogramm mit sog. Basiskursen und Möglichkeiten sportlicher und kreativer Betätigung verfügt. (Rz. 71 ff.)
4. Auch der Kindergeldbonus (Corona-Kindergeld) ist wie das Kindergeld hälftig zugunsten des unterhaltspflichtigen Elternteils zu berücksichtigen (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 27.5.2021 – 7 UF 689/20, Rn 51, juris). ( Rz. 93)
4. Nach § 1613 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsverlangen betreffend den Elementarkindesunterhalt – entsprechend der Rechtsprechung zum Altersvorsorgeunterhalt (vgl. BGH FamRZ 2007, 193) – nicht ausreichend, um ab Zugang eines solchen Auskunftsverlangens auch einen Anspruch auf Zahlung von Mehrbedarf für die Vergangenheit geltend machen zu können. Ob und in welcher Höhe einem Kind ein Anspruch auf Zahlung eines Mehrbedarfs zusteht, ist für den Unterhaltspflichtigen nur dann erkennbar, wenn er Kenntnis darüber erlangt, welche konkreten Kosten entstehen, die nicht vom Elementarunterhalt gedeckt und anteilig auch von ihm zu tragen sind. Allein die Aufforderung zur Auskunftserteilung über das Einkommen im Rahmen des Elementarunterhalts ist nicht ausreichend, um den Unterhaltsschuldner vor hohen Nachforderungen betreffend den Mehrbedarf zu schützen. (Rz. 104 ff.)
(red.LS)
OLG Schleswig, Beschl. v. 6.6.2023 – 13 UF 107/22 (AG Elmshorn)
1 Aus den Gründen
Gründe: I.1. [1] Der Antragsteller hat erstinstanzlich gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Abänderung einer Jugendamtsurkunde des Landratsamtes Karlsruhe vom 14.4.2021 betreffend die Zahlung laufenden und rückständigen Elementarunterhalts sowie einen Anspruch auf Zahlung eines monatlichen Mehrbedarfs geltend gemacht.
[2] Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Beschl. v. 17.6.2022, berichtigt durch Senatsbeschluss vom 9.1.2023, verpflichtet, in Abänderung der Jugendamtsurkunde an den Antragsteller monatlichen Elementarunterhalt ab dem 1.9.2021 bis zum 31.12.2021 in Höhe von 152 % und ab dem 1.1.2022 in Höhe von 144 % des jeweiligen Mindestbedarfs abzüglich des hälftigen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes Kind zu zahlen. Ferner hat es den Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller einen Mehrbedarf in Höhe von monatlich 49,00 EUR ab dem 1.9.2021 bis zum 31.8.2023 unter Anrechnung geleisteter Zahlungen (1.c) sowie rückständigen Elementarunterhalt und Mehrbedarf für den Zeitraum Februar 2020 bis August 2021 in Höhe von insgesamt 1.728,00 EUR (2.) zu zahlen.
[3] Hinsichtlich der Abänderung der Jugendamtsurkunde betreffend den laufenden Elementarunterhalt (1.a) und b) des Tenors) akzeptiert der Antragsgegner die Entscheidung. Die Beschwerde richtet sich allein gegen Ziffer 1.c) und 2. des Tenors.
[4] Zur Begründung führt er aus, das Amtsgericht habe dem Antragsteller zu Unrecht einen Anspruch auf Zahlung rückständigen Kindesunterhalts in Höhe von insgesamt 1.728,00 EUR zuerkannt.
[5] Es habe verkannt, dass er sich nicht seit dem 1.2.2020 im Verzug befinde, sondern erst mit Rechtshängigkeit in Verzug gesetzt worden sei.
[6] Das Amtsgericht habe außerdem in seiner Rückstandsberechnung das an die Kindesmutter gezahlte Corona-Kindergeld, welches im September 2020, Oktober 2020 und Mai 2021 jeweils in Höhe von 150,00 EUR gezahlt worden sei, nicht berücksichtigt. Der hälftige Anteil in Höhe von 75,00 EUR sei jeweils vom Barunterhalt in Abzug zu bringen.
[7] Ferner sei das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner verpflichtet sei, seit dem 1.2.2020 Betreuungskosten als Mehrbedarf zu zahlen. Zum einen befinde er, der Antragsgegner, sich mit der Zahlung von Betreuungskosten aus den o.g. Gründen nicht im Verzug. Zum anderen seien die Betreuungskosten kein Mehrbedarf des Kindes. Vielmehr werde das Kind bis zum Feierabend der vollzeitig arbeitenden Kindesmutter betreut, um ihre Vollzeittätigkeit sicherzust...