BGB § 313 § 488 § 812 § 1353
Leitsatz
1. In der Regel ist davon auszugehen, dass Zuwendungen (auch) größerer Vermögenswerte unter (künftigen) Ehegatten keine "eheneutralen" Rechtsgeschäfte wie etwa Schenkungen oder Darlehen, sondern der ehelichen Lebensgemeinschaft dienende, ehebedingte Zuwendungen sind. Dies gilt, wenn die Beteiligten erkennbar die Vorstellung haben, dass der überlassene Betrag als Investition für die Einräumung des Nutzungsrechts an einer Immobilie verwendet werden soll.
2. Bei Zuwendungen unter (künftigen) Ehegatten muss als Voraussetzung einer Zweckverfehlungskondiktion wegen Scheiterns der Ehe feststellbar sein, dass eine konkrete Zweckabrede getroffen wurde und der Fortbestand der Ehe gerade Gegenstand der Zweckabrede und nicht bloße Grundlage der Zuwendung war. Ist hingegen der verfolgte Zweck der Zuwendung – Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit einer Immobilie – erreicht worden und nur die Erwartung der dauerhaften Mitnutzungsmöglichkeit durch den zuwendenden Ehegatten wegen Scheiterns der Ehe enttäuscht worden, ist keine Zweckverfehlungskondiktion gegeben, sondern hat eine Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu erfolgen.
3. Ein Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB auf Rückgewähr der vorehelichen Zuwendung ist nur in Höhe der Hälfte der Zuwendung gerechtfertigt, weil die (voreheliche) Vermögensverschiebung vom Zugewinnausgleich nicht erfasst wird und das Ergebnis der Vermögensverschiebung nur insoweit unzumutbar im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB ist, als dem begünstigen Ehegatten der volle Wert der Zuwendung bleibt, während der Zuwendende hieran überhaupt nicht mehr partizipieren kann. Ein solches Ergebnis ergäbe sich fiktiv auch zugewinnausgleichsrechtlich und entspricht der gleichberechtigten Teilhabe am Nutzungsrecht der Immobilie im Fall des Fortbestandes der Ehe.
(red. LS)
AG Hamburg, Beschl. v. 10.11.2022 – 277 F 262/20
1 Aus den Gründen
Anm. der Red.; Vgl. zu dieser Entscheidung den Beitrag von Härtl, FF 2023, 288 ff. (in diesem Heft).
Gründe: I. [1] Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Rückzahlung einer finanziellen Zuwendung in Anspruch.
[2] Die Beteiligten gingen am 10.12.2016 die Ehe miteinander ein, lebten im gesetzlichen Güterstand und trennten sich Anfang Januar des Jahres 2018. Die Ehe wurde auf den am 18.12.2018 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers mit Beschluss des angerufenen Gerichts vom 30.1.2019 geschieden.
[3] Vor Eheschließung, nämlich am 18.11.2016, überwies der Antragsteller der Antragsgegnerin auf deren Konto einen Betrag von 200.000,00 EUR mit dem Betreff "Darlehen für Baufinanzierung". Die Antragsgegnerin reichte diesen Betrag in mehreren Teilzahlungen an ihre Eltern weiter.
[4] Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die aus Kroatien stammenden Eltern der Antragsgegnerin verbrachten ihr Arbeitsleben in Deutschland und kehrten im Rentenalter nach K. zurück. Sie erwarben im Jahr 2013 ein ca. 1.800 m² großes Grundstück am Meer auf der Insel L. in Istrien. Sie bebauten dieses Grundstück mit einer aus mehreren Wohneinheiten bestehenden Wohnhausanlage. Die Beteiligten besichtigten das Grundstück anlässlich eines Urlaubs im August 2016; der Rohbau war zu diesem Zeitpunkt fertig gestellt. Das Gebäude wurde im Jahr 2017/2018 fertiggestellt. Es wird seither von den Eltern der Antragsgegnerin, der Antragsgegnerin selbst und der Schwester der Antragsgegnerin mit ihrer Familie teils selbst genutzt, teils vermietet. Bei Vermietungsanzeigen in einschlägigen Internetportalen (booking.com und airbnb.com) tritt die Antragsgegnerin als Vermieterin ("Gastgeber") auf.
[5] Die Eltern der Antragsgegnerin sind ausweislich des am 8.5.2021 erstellten, bisher nur in kroatischer Sprache vorliegenden Grundbuchauszuges als (einzige) Miteigentümer des betroffenen Grundstücks eingetragen. Die Schwester der Antragsgegnerin hatte in erheblichem Umfang zu den Kosten der Bebauung beigetragen. Auch der vom Antragsteller zur Verfügung gestellte und an die Eltern der Antragsgegnerin weitergereichte Betrag von 200.000,00 EUR floss vollumfänglich in den Bau und die Ausstattung dieser Immobilie.
[6] Der Überweisung der 200.000 EUR vom Antragsteller an die Antragsgegnerin war am 18.11.2016 folgender Austausch von Textnachrichten per WhatsApp zwischen den Beteiligten vorausgegangen und nachgefolgt:
[7] 13.12 Uhr: "Warst Du eigentlich schon bei der Bank?"
14:17 Uhr: "Schick mir mal Deine Kontodaten, ist steuerlich besser: ich gebe Dir Darlehen, Du kaufst. Dann ist es keine Schenkung, etc."
14:17 Uhr: "Bin gegen 15 H da"
14:19 Uhr: [Zusendung Bild von Rückseite der EC-Karte (für IBAN)]
14:20 Uhr: "Du kannst auch 100 direkt an meine Eltern und 100 an mich überweisen."
14:22 Uhr: "Das ist steuerlich nicht so clever"
14:23 Uhr: "Wenn Du kaufst, können sie dir die andere Wohnung schenken, wenn ich kaufe und Du eingetragen wirst, sind es 2 Schenkungen, zusammen über 205.000 EUR, d.h. Du müsstest Schenkungssteuer zahlen."
14:25 Uhr: "Ich überweise Dir 200 mit Betreff “Darlehen für Baufinanzierung', aber ...