FamFG § 112 Nr. 1 § 113 Abs. 1 S. 2 143 117 Abs. 1 S. 4;ZPO § 338
Leitsatz
Gegen eine in Rahmen eines Verbundbeschlusses ergangene Teilversäumnisentscheidung zum nachehelichen Unterhalt ist nicht die Beschwerde, sondern der Einspruch der statthafte Rechtsbehelf. Ein wegen der Terminversäumung vor Erlass der Entscheidung gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten nicht in einen Einspruch umgedeutet werden.
(red. LS)
BGH, Beschl. v. 29.3.2023 – XII ZB 409/22 (OLG Düsseldorf, AG Mülheim)
1 Aus den Gründen
Gründe: I. [1] Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde gegen einen im Scheidungsverbundverfahren ergangenen Teilversäumnisbeschluss zum nachehelichen Unterhalt.
[2] Die Beteiligten sind inzwischen rechtskräftig geschiedene Ehegatten. Der Antragsgegner hat im Scheidungsverbund die Folgesache nachehelicher Unterhalt anhängig gemacht. Zum Verhandlungstermin am 19.8.2021 ist der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nach telefonischer Ankündigung einer verkehrsbedingten Verspätung nicht innerhalb der von ihm mitgeteilten Zeit – 20 Minuten nach der Terminsstunde – erschienen. Daraufhin hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners unter anderem die Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von monatlich 642 EUR und insoweit Erlass eines Teilversäumnisbeschlusses beantragt. Das Amtsgericht hat hierauf Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt. Nach Eintreffen beim Amtsgericht – mit 40-minütiger Verspätung – hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin unter Erläuterung der Gründe für seine Verspätung zu richterlichem Protokoll den Antrag gestellt, der Antragstellerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Weiter hat er beantragt, den Antrag auf Erlass eines Versäumnisbeschlusses in der Folgesache nachehelicher Unterhalt zurückzuweisen und die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen sowie – hilfsweise – den Antrag des Antragsgegners auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt durch unechten Versäumnisbeschluss zurückzuweisen.
[3] Das Amtsgericht hat mit am 9.9.2021 verkündetem Teilversäumnis- und Schlussbeschluss die Ehe der Beteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und die Antragstellerin – insoweit durch Teilversäumnisbeschluss – verpflichtet, an den Antragsgegner ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt von monatlich 642 EUR zu bezahlen.
[4] Gegen diesen ihr am 16.9.2021 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit am 7.10.2021 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, dies hinsichtlich der Folgesache nachehelicher Unterhalt "im Wege der Erweiterung und Anschließung gem. § 145 Abs. 1 FamFG". Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde, soweit über den Antrag auf nachehelichen Unterhalt durch Teilversäumnisbeschluss entschieden worden ist, verworfen und sie im Übrigen zurückgewiesen.
[5] Mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde.
II. [6] Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
[7] Die gemäß §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 1 S. 4 FamFG, §§ 522 Abs. 1 S. 4, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Antragstellerin insbesondere weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG).
[8] 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwerde gegen den Ausspruch in der Unterhaltssache sei unstatthaft, weil das Amtsgericht über den Unterhaltsantrag durch Teilversäumnisbeschluss entschieden habe, wie sich nicht nur aus der Bezeichnung der Entscheidung, sondern auch aus deren Begründung eindeutig ergebe. Gegen eine solche echte Säumnisentscheidung sei das Rechtsmittel der Beschwerde nicht eröffnet. Statthafter Rechtsbehelf sei vielmehr gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 338 ZPO allein der Einspruch, den indes die Antragstellerin nicht eingelegt habe. Das Rechtsmittel der Beschwerde sei auch nicht aufgrund des Meistbegünstigungsgrundsatzes eröffnet, weil das Amtsgericht nicht in der falschen Form entschieden habe. Das Fehlen einer Säumnis könne nur mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs, auf den in der Rechtsbehelfsbelehrung hingewiesen worden sei, geltend gemacht werden. Die durch Teilversäumnisbeschluss entschiedene Folgesache nachehelicher Unterhalt sei auch keiner Anfechtung im Wege einer Beschwerde durch Erweiterung oder Anschließung nach § 145 FamFG zugänglich, weil insoweit mangels rechtzeitigen Einspruchs der Antragstellerin Teilrechtskraft des Beschlusses eingetreten...