In jüngerer Zeit hat sich der BGH mehrfach mit der Bedarfsermittlung beim Minderjährigenunterhalt befasst. Dabei hat sich folgende Rechtsprechung herausgebildet:
a) Pauschale Bedarfsbemessung
Nach § 1610 Abs. 1 BGB bemisst sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die sich bei minderjährigen Kindern bis zum Abschluss ihrer Ausbildung von den Eltern ableitet. Dabei kommt es beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an. Die Unterhaltspflicht ist aber auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss.
Bei der Bemessung des angemessenen Unterhalts darf sich die Praxis an den von den Oberlandesgerichten entwickelten Tabellenwerken orientieren.
Diese Rechtsprechung bezieht sich in erster Linie auf Einkommensverhältnisse der Eltern, die sich im unteren oder gehobenen, jedenfalls durchschnittlichen Bereich verhalten. Dieser Bereich wird regelmäßig von den in der Düsseldorfer Tabelle abgebildeten Einkommensgrenzen gebildet, jetzt in den Grenzen der erweiterten Düsseldorfer Tabelle mit anrechenbaren Nettoeinkünften bis zu 11.200 EUR.
Kindesunterhalt kann bis zur höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ohne Darlegung eines entsprechenden konkreten Bedarfs verlangt werden. Es ist Aufgabe des Unterhaltspflichtigen darzulegen und zu beweisen, dass der tatsächliche Unterhaltsbedarf geringer ist. Allein die Gefahr einer zweckentfremdeten Verwendung des Kindesunterhalts durch den betreuenden Elternteil genügt zur Annahme eines geringeren Bedarfs nicht.
Das Verlangen von Kindesunterhalt gemäß den besonders günstigen Verhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils setzt nicht voraus, dass das Kind in der Vergangenheit vor der Trennung seiner Eltern bereits an diesen besonders günstigen Verhältnissen tatsächlich teilgenommen hat. Denn ein Kind leitet seinen Bedarf von den Eltern auch dann ab, wenn es mit diesen nicht zusammengelebt hat, eine vorausgegangene Gewöhnung des Kindes an einen gehobenen Lebensstandard ist also nicht erforderlich.
Fehlender Umgang mit seinen minderjährigen Kindern berechtigen den unterhaltspflichtigen Elternteil nicht zur Reduzierung seiner Barkindesunterhaltspflicht.
b) Konkrete Bedarfsbemessung
Bei höherem Elterneinkommen muss sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht, so dass der Kindesunterhalt auch bei einem den höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Elterneinkommen im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten für seinen Unterhaltsbedarf nicht faktisch auf den für die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle geltenden Richtsatz festgeschrieben werden darf.
Eine allgemeingültige feste Obergrenze besteht für den Kindesunterhalt weiterhin nicht; vielmehr bleibt dem unterhaltsberechtigten Kind die Darlegung eines höheren Bedarfs unbenommen. Allerdings ist insbesondere beim Unterhalt minderjähriger Kinder zu beachten, dass dieser keine bloße Teilhabe am Luxus der Eltern beinhaltet und naturgemäß erst recht nicht zur Vermögensbildung des unterhaltsberechtigten Kindes dient. Schließlich ist das Maß des den Kindern zu gewährenden Unterhalts auch maßgeblich durch das "Kindsein" geprägt, berechtigt also insbesondere nicht zu einer gleichen Teilhabe am Elterneinkommen.
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei Elterneinkommen oberhalb von 11.200 EUR keine pauschale Bedarfsbemessung mehr zulässig ist, sondern eine konkrete Darlegung des geforderten (Elementarbedarfs) Bedarfs zu erfolgen hat.