a) Leistungsfähigkeit bei Weiterbildung
Das Interesse eines unterhaltspflichtigen Elternteils, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, steht grundsätzlich hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurück.
Im entschiedenen Fall sprach gegen die Berücksichtigung der weiteren Ausbildung: Es habe sich bei dem Studium nicht um eine Erst-, sondern um eine Weiterbildung gehandelt. Jedenfalls habe der Kindesbarunterhaltspflichtige mit dem Abschluss des Verwaltungsfachwirts eine abgeschlossene Berufsausbildung erlangt, die es ihm auch tatsächlich ermöglicht habe, bei Wahrung seines notwendigen Selbstbehalts die Ansprüche seiner Kinder auf Mindestunterhalt zu erfüllen.
b) Fiktive Einkommensermittlung bei ungelernten Arbeitnehmern
Die Frage, ob bei einem Kindesunterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte dem Grunde und der Höhe nach angesetzt werden können, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung immer wieder behandelt. Insoweit sind die Unterhaltspflichtigen gefordert.
Nach der negativen Fassung des § 1603 Abs. 1 BGB wird die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen vermutet. Ihn trifft also die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang seiner Leistungsfähigkeit. In vielen Fällen ist ein Darlegungsdefizit schon bei der gebotenen Darlegung ausreichender Erwerbsbemühungen festzustellen. Dies wirkt sich zu seinem Nachteil aus. Denn eine Fingierung kommt schon dann in Betracht, wenn nicht auszuschließen ist, dass bei ausreichenden Bemühungen eine geeignete Stelle hätte gefunden werden können.
Bei der Höhe fiktiver Zurechnungen erscheint eine erfolgversprechende Einwendung indes nicht ausgeschlossen zu sein.
Ist Einkommen wegen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit zu fingieren, ist das nach den individuellen Verhältnissen erzielbare Einkommen zu ermitteln. Dabei ist das fiktive Einkommen nicht an der untersten Grenze, sondern an den tatsächlichen Möglichkeiten des Unterhaltspflichtigen zu orientieren. Anhaltspunkte können dabei tarifvertragliche Vergütungen oder statistische Erhebungen wie die der Hans-Böckler-Stiftung geben.
Bei ungelernten Arbeitnehmern ist bei fiktiver Einkommensermittlung in der Regel nur der Mindestlohn zugrunde zu legen. Das gilt aber dann nicht, wenn eine bestimmte Tätigkeit über längere Zeit ausgeübt worden ist und dort nachhaltige, über den Mindestlohn hinausgehende Einkünfte erzielt worden sind.
Arbeitsstellen mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 44 Wochenstunden sind auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden, so dass ein fiktives Erwerbseinkommen auf dieser Grundlage bereits tatsächlich nicht erzielbar ist. Die früher in Deutschland übliche Arbeitszeit von 40 Wochenstunden gilt praktisch nur noch für Beamte (und da auch nur bis 42 Wochenstunden erhöht). Ansonsten sind tariflich geringere Wochenstunden vorgesehen.
Von daher kann für eine fiktive Berechnung nur eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zugrunde gelegt werden.
c) Pflicht zur Einleitung eines Privatinsolvenzverfahrens zur Deckung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder
Ein Unterhaltspflichtiger ist, wenn er nicht im Einzelfall die Unzumutbarkeit darlegt, grundsätzlich verpflichtet, zur Deckung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten. Er ist gehalten, Zahlungen an Drittgläubiger bis zur Höhe der Pfändungsfreigrenzen einzustellen, um den unterhaltsberechtigten Kindern die Möglichkeit der erweiterten Pfändung bis zum Selbstbehalt nach § 850d ZPO zu eröffnen.
Vorteile und Nachteile des Insolvenzverfahrens sind dabei im jeweiligen Einzelfall insgesamt gegeneinander abzuwägen. Ein Insolvenzverfahren muss der Unterhaltspflichtige nur dann einleiten, wenn die Vorteile des Verfahrens die Nachteile deutlich überwiegen.
Von Unzumutbarkeit wäre etwa auszugehen, wenn dem Unterhaltspflichtigen der Verlust seines Arbeitsplatzes drohen würde
Im Einzelfall ist auch zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt der Unterhaltspflichtige gehalten war, ein Privatinsolvenzvertrag zu stellen. Insoweit kann den Unterhaltspflichtigen ein gegenteiliger anwaltlicher Rat entlasten.