Der Ansatz der Immobilie und des Wohnens im Unterhaltsrecht
I. Ausgangspunkt
Der Bundesgerichtshof hat sich zuletzt wieder öfters mit der Frage des mietfreien Wohnens befasst und vor allem mit dem Wohnbedarf eines Kindes bei besonders hohen Einkommensverhältnissen. Auch das Eckpunktepaper zum Unterhaltsrecht befasst sich im Rahmen der Überlegungen zum notwendigen Selbstbehalt mit der Frage des Wohnbedarfs. Dies gibt Anlass, sich mit einigen ausgewählten Fragen zu Wohnwert und Wohnbedarf zu befassen.
II. Die eigene Immobilie als Einkommen
Zunächst werden die Konstellationen der Eigennutzung einer Immobilie und die Fälle der Fremdvermietung dargestellt.
1. Eigennutzung (Wohnwert)
Der Mietwert des Wohnens in eigener Immobilie (Haus/Eigentumswohnung) ist unterhaltspflichtiges Einkommen. Es handelt sich um einen Gebrauchsvorteil im Sinne des § 100 BGB, der für die Unterhaltsberechnung den sonstigen Einkünften der Parteien hinzuzurechnen ist, soweit sein Wert die anzuerkennenden Belastungen übersteigt, solange also der Eigentümer günstiger wohnt als der Mieter.
a) Höhe des anzusetzenden Einkommens bei Nutzung im Falle des Alleineigentums
Unterschiede ergeben sich je nachdem, ob Kindes- oder Ehegattenunterhalt geschuldet ist.
aa) Wohnwert beim Ehegattenunterhalt
Lebt der Pflichtige in dem ehemals gemeinsamen Familienheim, ist zu unterscheiden zwischen dem Zeitraum vor und nach dem endgültigen Scheitern der Ehe. Nach dem Auszug eines Ehegatten kommt der Wohnwert der Immobilie nur noch eingeschränkt zum Tragen, denn der dem Ehegatten zuzuschreibende Nutzungsvorteil wird nach dessen Auszug nicht mehr gezogen, es entsteht sogenanntes "totes Kapital". Es hat bei der Bestimmung des Wohnwertes außer Acht zu bleiben, solange noch mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft gerechnet werden kann, damit diese nicht durch die frühzeitige Verwertung der Ehewohnung erschwert wird. Den Zeitpunkt des endgültigen Scheiterns hatte die Rechtsprechung zunächst gleichgesetzt mit demjenigen der Rechtskraft der Ehescheidung. Nunmehr stellt der BGH ab auf die Zustellung des Scheidungsantrages und hält sogar einen früheren Zeitpunkt für denkbar, z.B., wenn die Eheleute ihre Vermögensverhältnisse endgültig auseinandergesetzt haben.
Nach der Trennung der Parteien ist der Vorteil mietfreien Wohnens zunächst regelmäßig nur noch in dem Umfang zu berücksichtigen, wie er sich als angemessene Wohnungsnutzung durch den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten darstellt. Dabei ist auf den Mietzins abzustellen, den er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müsste (angemessener Wohnwert), wobei Korrekturen aus Gründen der Billigkeit möglich sind.
Nach dem endgültigen Scheitern der Ehe ist der objektive Wohnwert anzusetzen, dieser entspricht der objektiven Marktmiete. Darüber hinaus ist die Immobilie als allgemeiner Vermögenswert zu betrachten, so dass der Schuldner verpflichtet ist, sie möglichst ertragreich zu nutzen oder zu verwerten. Er hat dabei wegen des endgültigen Scheiterns der Ehe keine Veranlassung mehr, die zu große Wohnung oder das zu große Haus zu behalten. Der Ehegatte hat sich dementsprechend den objektiven Wohnwert zurechnen zu lassen; andernfalls ist er unterhaltsrechtlich verpflichtet, die von ihm nicht genutzten Teile zu vermieten, so dass der Erlös aus der Teilvermietung und der tatsächliche Nutzungsvorteil das Einkommen des Unterhaltspflichtigen erhöhen, die Immobilie insgesamt zu vermieten oder zu veräußern.