Dem VV können folgende Vorteile nicht abgesprochen werden:
Es erspart häufig langwierige Auskunftsverfahren. Der Höchstbetrag des 1,2-fachen Mindestunterhalts kann ohne nähere Begründung geltend gemacht werden. Es ist dann Sache des Unterhaltsverpflichteten, seine wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen. Einwendungen gegen die Unterhaltspflicht sind nur eingeschränkt zulässig. Der Antragsgegner muss vollständig Auskunft gem. dem Vordruck über Einkünfte und Vermögen unter Beifügung aller Beträge erteilen. Die Wirkung des Feststellungsbeschlusses geht über die Volljährigkeit des Kindes hinaus, § 244 FamFG. Im VV bestehen niedrige Kosten. Für eine Entscheidung entsteht nur eine halbe Gebühr nach dem Verfahrenswert des § 51 FamGKG. Sie ist nicht vorauszuzahlen. Der Rechtsanwalt erhält eine 1,3-Verfahrensgebühr (VV 3100) und eine 1,2-fache Terminsgebühr.
Hingegen ist das VV zur Festsetzung des Unterhalts minderjähriger Kinder sehr kompliziert und uneffektiv. Es wird nach den Erfahrungen des Autors überwiegend von den Jugendämtern, nicht hingegen von den auf dem Gebiet des Familienrechts tätigen Rechtsanwälten bevorzugt. Die Gründe können darin liegen, dass im VV nicht der volle Unterhalt begehrt werden kann. Die Erleichterung der Darlegung des Anspruchs im VV schlägt im Verhältnis zu den anderen Möglichkeiten der Erlangung eines Unterhaltstitels demgegenüber nicht erheblich zu Buch. Hinzu kommt wohl auch die Abneigung einiger Rechtsanwälte, die von den Beteiligten ausgefüllten Vordrucke auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Bereits im Versorgungsausgleich und in der Prozesskostenhilfe war leider immer wieder feststellbar, dass die von den Beteiligten ausgefüllten Vordrucke von einigen Anwälten ohne vorherige Überprüfung an das Gericht weitergereicht werden.
Wenn der Unterhaltsschuldner im Ausland wohnt, ist das VV sehr kostenaufwändig und sein Nutzen steht in keinem Verhältnis zum Erfolg. Bei dem VV handelt es sich nicht um ein Verfahren, das seinen Namen verdient. Die Befürchtung, die der Verfasser in seinem Editorial in Heft 4/1998 FPR geäußert hat, ist leider eingetreten. Auf die Gerichte kam durch das VV eine erhebliche Mehrarbeit zu, wie die veröffentlichten Entscheidungen zu dem Thema zeigen.
Ob das sog. VV als Hauptsacheverfahren nach den §§ 249 ff. FamFG oder das Antragsverfahren sinnvoll ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Bei jeder Wahl hat der Antragsteller Anspruch auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung. Denn der Gesetzgeber hat das amtliche Merkblatt zum Ausfüllen des Antrages mit dem Hinweis auf anwaltliche Beratung versehen. Im VV kann ohne Darlegung ausreichender Einkünfte des Unterhaltsschuldners das 1,2-Fache des Mindestunterhalts beantragt und festgesetzt werden. Durch die Beschränkung der Einwendungen des Antragsgegners will der Gesetzgeber dem unterhaltsbedürftigen Kind schnell, einfach und kostengünstig einen Titel verschaffen. Andererseits ist aber zu bedenken, dass eine Titulierung durch den Übergang in das streitige Verfahren hinausgezögert werden kann. Die Überleitung in das Verfahren nach § 255 FamFG hat (auch) der Antragsgegner in der Hand; er kann zulässige und begründete Einwendungen erheben. Hinzu kommen die gerichtliche Bearbeitungszeit, die notwendige Zustellung nach § 251 Abs. 1 Satz 1 FamFG und die vom Familiengericht zu gewährende Stellungnahmefrist von einem Monat nach § 251 Abs. 1 Satz 2 Nummer 3 und Satz 3 FamFG (Auslandszustellung). Ein Titel im VV wird daher frühestens nach sechs Wochen seit Antragseingang zu erlangen sein. Im einstweiligen Anordnungsverfahren nach den §§ 49 ff. FamFG kann dagegen in vielen Fällen in relativ kurzer Zeit ein Titel bis in Höhe des vollen Unterhalts erlangt werden. Den Hinweis von Stollenwerk/Stollenwerk, "jedem Rechtsanwender kann nur abgeraten werden, dieses sog. VV wegen seiner Kompliziertheit und wenigen Effektivität in Anspruch zu nehmen", kann in dieser allgemeinen Aussage nicht zugestimmt werden. Vielmehr muss der Unterhaltsgläubiger selbst abschätzen, ob er nach den Umständen des Einzelfalles zum VV oder zum einstweiligen Anordnungsverfahren oder zum Antragsverfahren greift. Da das VV auch gegenüber einem im Ausland lebenden Unterhaltspflichtigen und -berechtigten Anwendung findet, § 251 Abs. 1 Satz 3 FamFG, sollte aber in Kindesunterhaltsangelegenheiten die Eignung des VV stets gesondert geprüft werden, vor allem wenn der im Ausland lebende Unterhaltsverpflichtete die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht. Denn auch diesem ist der amtliche Vordruck, mit welchem nach § 252 Abs. 2 Satz 3 FamFG Auskunft zu erteilen ist, zu übersenden. Selbst wenn er den Vordruck mit einer Übersetzung in seine Muttersprache erhält, sind Schwierigkeiten des richtigen Verstehens und des richtigen Umgangs hiermit eher zu erwarten als auszuschließen. Der Unterhaltspflichtige wird darüber hinaus in aller Regel ...