I. In dem zu kommentierenden Urteil zum Anspruch auf Unterhalt nach Scheidung wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes hat der BGH nochmals bekräftigt, dass während der ersten drei Lebensjahre des Kindes der betreuende Elternteil frei entscheiden könne, ob er das Kind selbst erzieht oder eine andere Betreuungsmöglichkeit in Anspruch nimmt. Die Obliegenheit zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit setze nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes ein, und ein Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes komme dann nur noch aus Billigkeitsgründen in Betracht. Solche Billigkeitsgründe können kindbezogener oder ehebezogener Art sein. Insoweit folgt die Entscheidung der Linie, die der BGH schon mit seinem Urt. v. 16.7.2008 eingeschlagen hatte, dort allerdings zu einem Anspruch aus § 1615l BGB.
In dem Rahmen der hier angestellten Betrachtung interessiert die Auffassung des BGH, wonach der Gesetzgeber mit der Neugestaltung des § 1570 BGB den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben habe. Dies sei, so der BGH (Rn 25), auch mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar. Es bestehe also eine Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer kindgerechten Betreuungsmöglichkeit. Diese Obliegenheit finde dort ihre Grenze, wo die Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar sei. Vereinbarkeit bestehe aber regelmäßig bei Inanspruchnahme der staatlicherseits zur Verfügung gestellten Betreuungsmöglichkeiten.
II. Zur Stützung seiner Rechtsauffassung beruft sich der BGH einerseits auf die Begründung des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts, BT-Drucks 16/1830, und andererseits auf das Urteil des BVerfG vom 28.2.2007, 1 BvL 9/04.
Nach von hier aus vertretener Auffassung stützen beide Quellen die Auffassung des BGH nicht.
An keiner Stelle ist in der BT-Drucks 16/1830 die Rede davon, dass der Gesetzgeber den Vorrang der persönlichen Betreuung der Eltern zugunsten anderer Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben habe. Es wird lediglich die Lebenswirklichkeit, wonach die Fremdbetreuung von Kindern auch in der Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres gang und gäbe ist, zur Begründung der Gesetzesänderung herangezogen. Damit wird begründet, dass eine Berücksichtigung solcher bestehender Betreuungsmöglichkeiten bei über dreijährigen Kindern geboten ist. Die nähere Ausgestaltung insbesondere der Art und Weise der Berücksichtigung hat der Gesetzgeber nicht selbst vorgegeben. Hier ist also der Rechtsanwender gefragt, mithin die Gerichtsbarkeit.
Auch das BVerfG hat in seiner Entscheidung zur unterschiedlichen Dauer des Unterhaltsanspruches für einen Elternteil wegen Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder diese Frage nicht beantwortet, weil sie nicht entscheidungserheblich war. In der Entscheidung heißt es an den vom BGH zitierten Stellen, die Begrenzung des Betreuungsunterhalts auf drei Jahre verstoße nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG, weil die Möglichkeit der Verlängerung des Anspruches bestehe. Die Einschätzung des Gesetzgebers, für wie lange er die persönliche Betreuung eines Kindes mit Hilfe eines Unterhaltsanspruches ermögliche, sei in Ordnung. Wegen des gesetzlichen Anspruches auf einen Kindergartenplatz sei die Entbindung des Elternteiles von seiner Erwerbsobliegenheit für die ersten drei Lebensjahre des Kindes nicht zu beanstanden. Keine Aussage trifft aber das BVerfG zu der Frage, ob es mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar ist, dem ein minderjähriges Kind betreuenden Elternteil die Obliegenheit aufzuerlegen, nach der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes zwecks Aufnahme einer Erwerbstätigkeit das Kind fremd betreuen zu lassen. Gerade wegen der Einschätzung des BVerfG, wonach die Möglichkeit der Verlängerung des Unterhaltsanspruches des betreuenden Elternteils aus Billigkeitsgründen besteht, lag in der Begrenzung des Betreuungsunterhalts auf grundsätzlich drei Jahre kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 GG. Damit lässt das Gericht aber offen, ob auch nach dem dritten Lebensjahr des Kindes das Bedürfnis für eine persönliche Betreuung des Kindes durch den Elternteil bestehen kann. Unter welchen Kriterien dieses Bedürfnis gegeben ist und somit die Fortdauer des Unterhaltsanspruches rechtfertigt, wird vom BVerfG nicht ausgeführt. Hingewiesen wird noch darauf, dass Maßstab für die Entscheidung dieser Frage das Kindeswohl sei.
III. Es stellt sich somit nach wie vor die Frage, ob es gegen Art. 6 Abs. 2 GG verstößt, dem betreuenden Elternteil nach Vollendung des dritten Lebensjahres die Obliegenheit aufzuerlegen, das Kind fremd betreuen zu lassen unter Hinweis auf die staatlicherseits dafür geschaffenen Möglichkeiten, und dadurch eine Entlastung des unterhaltspflichtigen anderen Elternteils zu erreichen.
Nach hier vertretener Auffassung ist die Auferlegung dieser Obliegenheit nicht mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar.
Art. 6 Abs. 2 GG normiert ein "natürliches" Recht der Eltern, also eine überpositive Rechtsvorstellung. Diese naturrechtliche Vorstellung gilt aber...