Die obigen Fallkonstellationen betrafen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels.
Bezüglich der Frist zur Rechtsmittelbegründung können zwei Fallkonstellationen eintreten:
a) Die Begründungsfrist ist zum Zeitpunkt der PKH-Entscheidung bereits abgelaufen
Ist außer der Einlegungsfrist auch die Begründungsfrist schon abgelaufen, wenn die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe zugeht, hilft nur ein Antrag auf Wiedereinsetzung. Früher gab es das Problem, dass auch der Wiedereinsetzungsantrag in die Berufungsbegründungsfrist mit Nachholung der Berufungsbegründung innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu erfolgen hatte. Während die reiche Partei also einen Monat Begründungsfrist hatte bzw. zwei Monate ab Zustellung des Urteils, blieb der armen Partei nur eine Frist von zwei Wochen. Der BGH hatte deswegen in den Jahren ab 2002/2003 eine spezielle Rechtsprechung zur verfassungskonformen Auslegung der §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 S. 2 ZPO entwickelt. Nach damaliger Fassung des § 234 Abs. 1 i.V.m. § 236 Abs. 2 S. 2 musste die Rechtsmittelbegründung ebenfalls binnen zwei Wochen nachgeholt werden. Dies hatte eine einschneidende Verkürzung der Begründungsfrist zu Lasten der armen Partei zur Folge. In verfassungskonformer Auslegung des § 236 zur Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes ließ der BGH bis zur geplanten Änderung durch den Gesetzgeber die Nachholung der Begründung von Berufung und Rechtsbeschwerde in großzügigeren Fristen zu. In verfassungskonformer Auslegung des § 236 ZPO hatte der BGH zur Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes entschieden, dass in diesen Fällen die versäumte Begründungsfrist ein zweites Mal zu laufen beginnt. Er ließ dabei offen, ob für die Nachholung die volle gesetzliche Begründungsfrist (Berufung zwei Monate, Rechtsbeschwerde ein Monat) ab Zustellung der Bewilligungsentscheidung zur Prozesskostenhilfe zu laufen beginnt oder eine je einmonatige Begründungsfrist ab Zustellung der die Wiedereinsetzung bewilligenden Entscheidung. Der BGH tendierte dabei zur ersten Variante. Im JuMoG hat der Gesetzgeber nunmehr mit der Fristerweiterung des § 234 Abs. 1 S. 2 diesem Problem Rechnung getragen. Die dargestellte Rechtsprechung ist somit zwischenzeitlich überholt. Auf sie kann nicht mehr zurückgegriffen werden. Das hat der BGH ausdrücklich ausgesprochen.
Die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag und die Nachholung der versäumten Begründungsfrist beträgt seit der Neuregelung durch den Gesetzgeber nunmehr einen Monat (§ 234 Abs. 1 S. 2, § 236 Abs. 2 ZPO).
Streitig ist, wann diese Frist zu laufen beginnt. Zwei Möglichkeiten kommen in Betracht:
- Mit Bekanntgabe der Entscheidung zur Prozesskostenhilfe beginnt die einmonatige Frist zur Wiedereinsetzung und Nachholung der Rechtsmittelbegründung zu laufen.
- Erst mit Zustellung der Entscheidung zur Wiedereinsetzung in die versäumte Einlegungsfrist beginnt die Monatsfrist für die Nachholung der Rechtsmittelbegründung.
Es gibt dazu unterschiedliche Entscheidungen des BGH für die Fälle der Berufung und Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO), wobei die Entscheidungen zur Berufung übertragbar sind auf die Beschwerde nach FamFG in Ehe- und Familienstreitsachen:
Nach einer Entscheidung des III. Zivilsenats beginnt die Frist zur Berufungsbegründung mit Bekanntgabe der Entscheidung zur Prozesskostenhilfe.
Nach Ansicht des XI. Zivilsenats beginnt sie später, nämlich erst mit Zugang der Entscheidung zur Wiedereinsetzung in die versäumte Einlegungsfrist.
Nach Ansicht des IX. Senats beginnt die Frist zur Berufungsbegründung erst mit Gewährung der Wiedereinsetzung bezüglich der Einlegungsfrist, während die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 ZPO mit der Entscheidung zur Prozesskostenhilfe beginnt. Die Unterscheidung wird damit begründet, dass die Rechtsbeschwerde anders als Berufung und Revision binnen eines Monats sowohl eingelegt als auch begründet werden muss. Vorsichtshalber empfiehlt es sich dringend, bei der Fristnotierung von dem frühest denkbaren Fristbeginn auszugehen, i.d.R. also ab Bekanntgabe der PKH-Entscheidung.
Ein Fristverlängerungsantrag genügt als Nachholung nicht, weil nicht die originäre Begründungsfrist zu wahren ist, sondern eine Wiedereinsetzungsfrist.
Andererseits besteht auch keine Pflicht, vorsorglich bezüglich der originären Begründungsfrist einen Fristverlängerungsantrag zu stellen, wenn bis dahin über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden war.
b) Zur Zeit der Bekanntgabe des Prozesskostenhilfebeschlusses ist die Begründungsfrist noch nicht abgelaufen
Diese Fallkonstruktion ist weitgehend ungelöst. Das Problem ist, dass der Partei nach Zugang der Entscheidung zur Prozesskostenhilfe unter Umständen nur eine ganz kurze Frist verb...