a) Erörterung der Kindeswohlgefährdung, § 157
Obwohl der frühe Termin nach § 155 auch für Kindesschutzverfahren vorgeschrieben ist, stellt § 157 für diese Verfahren noch die – rechtspolitisch viel diskutierte – "Erörterung der Kindeswohlgefährdung" daneben. Das Verhältnis von § 157 zu § 155 offenbart sich nicht auf den ersten Blick, denn die "Erörterung", die § 155 Abs. 2 S. 1 allgemein vorschreibt, wird sich in Kindesschutzverfahren naturgemäß auch auf die Abwehr der Kindesgefährdung konzentrieren – eine Thematik, die im Übrigen auch nach bisherigem Recht schon anzusprechen war, allerdings im Rahmen der elterlichen Anhörung (§ 50a Abs. 1 S. 3 FGG a.F.). Von daher erscheint es folgerichtig, dass laut Entwurfsbegründung die Gefährdungserörterung nach § 157 auch mit dem frühen Termin nach § 155 Abs. 2 verbunden werden kann. Warum hat man sie dann nicht gleich als weiteren Absatz in § 155 eingebaut?
Die gesetzgeberische Konzeption wird erst verständlich, wenn man sich klarmacht, dass § 157 nicht eine Konkretisierung des Beschleunigungsgebots für Kindesschutzverfahren ist, sondern eine Konkretisierung und gewisse Vorverlagerung des staatlichen Wächteramts auf verfahrensrechtlicher Ebene. Sie dient einer frühzeitigen Vernetzung jugendhilferechtlicher und familiengerichtlicher Einwirkungen auf die Eltern schon in einer Phase, in der eine Gefährdung des Kindeswohls zwar noch nicht feststeht, aber doch konkret möglich ist. Deshalb liegt der rechtspolitische Schwerpunkt des § 157 auf den Worten "mögliche Gefährdung": Schon hier und nicht erst bei einer aktuellen Gefährdung beginnen die – zunächst nur verfahrensrechtlichen – Interventionsmöglichkeiten des Familiengerichts, und hier beginnt auch schon die Inpflichtnahme der Eltern zur Teilnahme an der Erörterung. § 157 hat damit auch Rückwirkungen auf § 8a SGB VIII: Nach dieser Vorschrift hat das Jugendamt das Familiengericht anzurufen, wenn es dessen Tätigwerden für erforderlich hält – insbesondere auch bei mangelnder Kooperationsbereitschaft von Eltern in Problemfamilien. Frühere Handlungsmöglichkeiten des Familiengerichts nach § 157 bedeuten aber auch eine frühere Anrufungsmöglichkeit des Jugendamts nach § 8a Abs. 3 SGB VIII, oder auch – salopp ausgedrückt – dessen Möglichkeit, im Konflikt mit Eltern in Problemfamilien das Familiengericht als "großen Bruder" herbeizurufen, der mit seinen latenten Machtmitteln und Aufklärungsmöglichkeiten manche Eltern zum Einlenken und zur Akzeptanz von Jugendhilfeleistungen bewegen mag.
Die kindesschutzrechtliche Dimension dieses Ansatzes ist bereits ausführlich diskutiert worden und soll hier deshalb nicht erneut vertieft werden. Die Kritik hatte sich vor allem an der unglücklichen Bezeichnung "Erziehungsgespräch" entzündet, die aus dem Gesetzesvorschlag Bayerns von 2006 stammte. Die jetzige Formulierung als "Erörterung der Kindeswohlgefährdung" vermeidet dadurch provozierte frühzeitige Frontverhärtungen.
b) Spätere Überprüfungspflicht, § 166 Abs. 3
Im Zusammenhang mit der Gefährdungserörterung gem. § 157 sollte die korrespondierende Regelung in § 166 Abs. 3 nicht übersehen werden. Der Gesetzgeber hat dabei folgende Situation vor Augen: Die bisher uneinsichtigen oder unkooperativen Eltern lenken unter dem Eindruck der gerichtlichen Gefährdungserörterung gem. § 157 ein und versprechen Verhaltensänderung und Kooperation mit dem Jugendamt; das Familiengericht sieht daraufhin von Maßnahmen nach § 1666 BGB ab. Dies soll die Eltern nicht zu dem Fehlschluss verleiten, sie seien letztlich Sieger im Streit mit dem Jugendamt geblieben, das mit gerichtlichen Sorgerechtseingriffen gedroht hatte; auch mit strategischem Schein-Nachgeben der Eltern wird zu rechnen sein. Die gerichtliche Pflicht zur Überprüfung der Situation etwa nach drei Monaten gem. § 166 Abs. 3 soll deshalb die Druckkulisse durch das Hinzutreten des "großen Bruders" aufrechterhalten, sie ist ein Warnsignal an die Eltern. Eine nur interne Berichtspflicht des Jugendamts an das Familiengericht hätte diese Warnfunktion nicht gleichermaßen.
Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht, und so ist an § 166 Abs. 3 einiges zu kritisieren.
(1) Die materiellrechtliche Legitimation zu gerichtlichem Tätigwerden, nämlich gem. § 157 eine zumindest konkret mögliche Kindeswohlgefährdung, muss auch einer späteren ge...