Auf das Spannungsverhältnis zwischen Konsensstreben und Beschleunigungsgebot ist bereits hingewiesen worden (oben III. 1.b)). Es gibt aber noch weitere allgemeine Probleme.
a) Die Rolle des Kindes im Einigungsprozess
Das FamFG lässt nicht erkennen, dass bei dem Streben nach Einvernehmen die Person des Kindes mitgedacht ist – der Elternkonsens, flankiert vom Einverständnis des Jugendamts, steht im Vordergrund. Die durch § 9 Abs. 1 Nr. 3 dem mindestens vierzehnjährigen Kind zuerkannte Verfahrensfähigkeit berechtigt nur begrenzt zur Mitsprache, denn sie besteht nur, wenn es "ein ihm nach bürgerlichem Recht zustehendes Recht geltend macht". Das ist bei Umgangskonflikten gem. § 1684 Abs. 1 BGB der Fall, aber auch dort nur, soweit das Kind sein Umgangsrecht durchsetzen, nicht aber, wenn es das Umgangsrecht eines Elternteils abwehren möchte. Bei Sorgekonflikten herrscht (abgesehen von dem praktisch bedeutungslosen § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB) generell das Kindeswohl, nicht das Kindesrecht.
Nur bei Einbeziehung eines Verfahrensbeistands muss auch dessen Zustimmung vorliegen, aber auch das bleibt hinter einer unmittelbaren Beteiligung des Kindes am Einigungsprozess zurück. Natürlich hängt dessen Fähigkeit zur Mitsprache und Mitentscheidung stark von seinem Alter und Entwicklungsstand ab, aber wie bei der gerichtlichen Anhörung ist für Kinder psychologisch vor allem das Gefühl wichtig, nicht nur Objekt, sondern Subjekt der Entscheidungsfindung gewesen zu sein. Aus der Mediationsdebatte sind die Schwierigkeiten bekannt, das Kind als einen rechtlich nicht autonomen Beteiligten in einen Verhandlungsprozess einzubeziehen, der auf autonome Konfliktlösung abzielt. Da das Gesetz weitgehend schweigt, wird es in der Verantwortung von Familiengericht und Jugendamt liegen, das Kind als Subjekt im Einvernehmensprozess nicht untergehen zu lassen – mit der Bestellung eines Verfahrensbeistands ist schon viel, aber nicht alles getan. Ähnliches gilt für die gerichtliche Kindesanhörung: Sie ist zwar gem. § 159 erforderlich, soweit – wie bei Umgangsvergleichen – eine richterliche Kindeswohlkontrolle und Genehmigung erforderlich ist (§ 156 Abs. 2). Selbst dann wird das Kind dabei aber nur mit einem Einigungsergebnis konfrontiert, es wird nicht das Gefühl echter Mitsprache haben.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die verfahrensrechtliche Problematik der Kindesbeteiligung weitgehend schon vom materiellen Recht vorgegeben ist: Die Tendenz geht in Richtung Elternautonomie anstelle staatlicher Regulierung – die angemessene Beteiligung des Kindes am Entscheidungsprozess ist vom Gesetz in § 1626 Abs. 2 BGB zwar den Eltern als interne Pflicht vorgegeben, bleibt aber, wie jede elterliche Sorgemaßnahme, bis zur Gefährdungsgrenze unkontrolliert. Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob die elterliche Einigung privat oder im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens erfolgt.
b) Strukturelle Probleme
Auf weitere strukturelle Probleme kann nur stichwortartig hingewiesen werden:
Dem erhöhten Stellenwert von professioneller Beratung und Einigungshilfe muss ein qualifiziertes Beratungs- und Unterstützungsangebot staatlicher und freier Träger der Jugendhilfe entsprechen, das in ausreichender Menge sowie in räumlicher und zeitlicher Nähe zur Verfügung steht – das scheint in Deutschland noch nicht flächendeckend gesichert.
Für die Familienrichter muss gefragt werden, ob nicht eine verstärkte, obligatorische Qualifizierung gerade auch für die Vermittlerfunktion angezeigt wäre; auf der anderen Seite ist evident, dass die Belastungskriterien in den richterlichen Pensenschlüsseln neu formuliert werden müssen, wenn von den Familienrichtern auf breiter Front Engagement für die spezifischen, zeitraubenden Anforderungen im Kindschaftsverfahren erwartet werden soll – hier nur auf den (oft bewundernswert vorhandenen) Idealismus der Richter zu setzen, dürfte auf Dauer nicht tragen und ist schlicht unfair.