Zusammenfassung
"Neue Schwiegereltern-Rechtsprechung" – diese überraschende Ankündigung in der Presse löste bei Fachanwältinnen und Fachanwälten große Verwunderung aus. "Musste das wirklich sein?", war die erstaunte Frage. Man hatte sich an die seit 1995 geltende – zunächst nicht leicht verständliche – Rechtsprechung mittlerweile nicht nur gewöhnt, sondern das Ergebnis des Ausgleichs zwischen Schwiegereltern, Schwiegerkind und Kind auch als sachgerecht akzeptiert. Ebenso haben die Oberlandesgerichte und das Schrifttum ganz überwiegend den Entscheidungen des BGH zugestimmt. Es war deshalb nicht recht zu verstehen, warum der Familiensenat seine Rechtsprechung so grundlegend geändert hat.
Um die Auswirkungen der neuen Entscheidung des BGH vom 3.2.2010 auf die familiengerichtliche Praxis zu erkennen und zu verstehen, erscheint es erforderlich, die bisherige Rechtsprechung nochmals kurz darzustellen.
I. Die bisherige Rechtsprechung des BGH
Ein Rückforderungsanspruch der Schwiegereltern gegen das Schwiegerkind hängt entscheidend davon ab, wie eine Zuwendung an das Schwiegerkind rechtlich zu beurteilen ist. Seit nunmehr 15 Jahren hat der BGH eine finanzielle Zuwendung an Kind und Schwiegerkind unterschiedlich bewertet:
- Gegenüber dem eigenen Kind handelt es sich um eine Schenkung(§ 516 BGB). Die Zuwendung geschieht aus echter Freigebigkeit und reiner Uneigennützigkeit. Das Kind kann über das erhaltene Geld frei verfügen.
- Gegenüber dem Schwiegerkind erfolgt die Zuwendung nicht uneigennützig zur freien Verfügung des Empfängers, sondern zur Stärkung und Erhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft des eigenen Kindes. Bei Zuwendungen der Schwiegereltern an das Schwiegerkind handelt es sich daher – wie bei Zuwendungen unter Eheleuten – um ehebezogene Zuwendungen.
Scheitert die Ehe des leiblichen Kindes mit dem Schwiegerkind, so fällt zwar die Geschäftsgrundlage für die Zuwendung an das Schwiegerkind weg, ein Rückforderungsanspruch der Schwiegereltern wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bestand – nach bisheriger Rechtsprechung – aber dann nicht, wenn der vorrangig durchzuführende Zugewinnausgleich zwischen den Eheleuten zu einem angemessenen – und auch für die Schwiegereltern zumutbaren – Ergebnis führte. Dies war in der Regel der Fall (vgl. unten III. 2. a)).
II. Die neue Entscheidung des BGH
1. "Echte" Schenkung
Der Familiensenat des BGH hat mit der Entscheidung vom 3.2.2010 seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Zuwendungen der Schwiegereltern an das Schwiegerkind bewertet der BGH nicht mehr als ehebezogene, unbenannte Zuwendungen, sondern als "echte" Schenkungen, auch wenn sie um der Ehe des eigenen Kindes willen erfolgen. Schwiegerelterliche Zuwendungen erfüllen – so nunmehr der BGH – sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des § 516 Abs. 1 BGB. Es fehlt weder an einer Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung noch an einer dauerhaften Vermögensminderung beim Zuwendenden.
2. Wegfall der Geschäftsgrundlage
Auch wenn Zuwendungen der Schwiegereltern nicht mehr als ehebezogene Zuwendungen, sondern als Schenkungen bewertet werden, sind auf sie dennoch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzuwenden. Denn Geschäftsgrundlage einer schwiegerelterlichen Schenkung ist regelmäßig – wie bisher – der Fortbestand der Ehe. Der BGH spricht daher auch von einer „ehebezogenen Schenkung“.
3. Unmittelbarer Rückforderungsanspruch der Schwiegereltern (§ 313 BGB)
Hat sich die Erwartung der Schwiegereltern, die eheliche Lebensgemeinschaft des von ihnen beschenkten Schwiegerkindes mit ihrem Kind werde Bestand haben und ihre Schenkung demgemäß dem eigenen Kind dauerhaft zugutekommen, infolge des Scheiterns der Ehe nicht erfüllt, so ist die Geschäftsgrundlage für die Schenkung entfallen. Es ist – nach der neuen Entscheidung – nicht mehr vorrangig zu prüfen, ob der Zugewinnausgleich zwischen den Eheleuten zu einem angemessenen Ergebnis führt. Die Schwiegereltern haben einen unmittelbaren Anspruch gegen das Schwiegerkind auf Rückgewähr der Schenkung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).
4. Anspruch der Schwiegereltern wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB)
Der BGH hatte es bisher abgelehnt, schwiegerelterliche Zuwendungen, die allein um der Ehe des eigenen Kindes willen erfolgten, wegen Zweckverfehlung rückabzuwickeln. Auch an dieser Rechtsprechung hält der Familiensenat nicht mehr fest. Ein Ausgleich aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB wegen Zweckverfehlung kann sich ergeben, wenn der verfolgte Zweck darin bestand, dass die Schenkung dem eigenen Kind dauerhaft zugutekommen sollte und die Parteien dabei vom Fortbestehen der Ehe ausgingen.
Der BGH räumt allerdings ein, dass eine entsprechende Zweckvereinbarung vielfach nicht festgestellt werden kann. Eine Zweckabrede i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB setzt positive Kenntnis von der Zweckvorstellung des anderen Teils voraus, ein bloßes Kennenmüssen genügt nicht. Hinzu kommt, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Schenkung zumeist nicht an ein späteres Scheitern der Ehe denken.
5. Zugewinnausgleich zwischen den Eheleuten
a) Schenkung im Anfangs- und Endvermögen
Die Schenkung wird beim Schwiegerkind als privilegierter Erwerb (§ ...