Nach dem 31. August 2010 wird noch einige Zeit vergehen, bis die Probleme des Übergangsrechts erledigt sind. Dies zeigen schon die vielen Aufsätze und Entscheidungen, die inzwischen veröffentlicht sind.
1. Probleme bei Bestandsverfahren
Schon vor Inkrafttreten des FamFG trat eine Vielzahl von verfahrensrechtlichen Problemen auf, die von den Landesjustizverwaltungen im Interesse einer einheitlichen Auslegung der Übergangsvorschriften dem Bundesjustizministerium vorgelegt worden sind mit der Bitte um klarstellende Erläuterungen. Diese Antwort vom 21. Juli 2009 zeigt auf, dass insbesondere bei Bestandsverfahren (Vormundschaft, Betreuung, Pflegschaft, Adoption und andere mehr) durch die Auflösung des Vormundschaftsgerichtes erhebliche rechtliche Unsicherheiten auftreten können und auch der Übergang zum neuen Recht sich unverhältnismäßig lange verzögern könnte. Da diese Stellungnahme im Kern nicht den Versorgungsausgleich oder das Familiengerichtliche Verfahren insbesondere im Zusammenhang mit der Scheidung betrifft, ist nur anzumerken, dass schon allein die Anfrage der Justizverwaltungen und der Inhalt der Antwort zeigen, dass die Übergangsvorschriften insgesamt mit sehr vielen Unsicherheiten behaftet sind.
2. Einleitung des Verfahrens
a) Antrag oder PKH-Gesuch?
Schon die Einleitung des Verfahrens (§ 48 Abs. 1 VersAusglG, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG) ist in Rechtsprechung und Literatur streitig. Holzwarth hat die Auffassung vertreten, dass schon die Einreichung eines Gesuches nach §§ 114 ff. ZPO ausreichend sein müsse. Dem ist die Rechtsprechung jedoch wohl nicht gefolgt. Der Prozessbevollmächtigte wird hier im Einzelfall prüfen müssen, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, weil z.B. der Scheidungsantrag vor dem 1.9.2009 nur unter der Bedingung der Bewilligung von PKH eingereicht wurde. Von Bedeutung wird die Prüfung sein, ob die Anwendung des alten Rechts des Versorgungsausgleichs Nachteile zur Folge hat. Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang, dass das VersAusglG einen weitaus größeren Freiraum für Parteivereinbarung bietet.
b) Weitere Verbundanträge nach Stichtag
Burschel ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber die Fälle, in denen einzelne Teile des Verbundes (mit Ausnahme des Versorgungsausgleichs) vor dem 1.9.2009 und andere Teile erst nach dem 31.8.2009 eingeleitet wurden, nicht geregelt hat (a.a.O. S. 195). Derselbe Autor führt jedoch schon eingangs seiner Ausführungen (S. 193) aus, dass ein Wechsel der Verfahrensordnung nicht stattfindet, wenn das Hauptsacheverfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurde. Eine einstweilige Anordnung ist in diesen Fällen weiterhin nur nach den Vorschriften des 6. Buches der ZPO zulässig, ist also kein isoliertes Verfahren nach dem FamFG. Das OLG Nürnberg ist hingegen der Ansicht, dass auch bei einem Hauptsacheverfahren, das vor dem 1. September 2009 eingeleitet wurde, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der nach dem 31.8.2009 gestellt wurde, nach neuem Recht – also dem FamFG – als isoliertes Verfahren zu führen ist.
c) Klageerweiterung nach dem 1.9.2009
Wird eine vor dem LG – Zivilkammer – rechtshängige Klage auf Gesamtschuldner zugleich zwischen getrennt lebenden Ehegatten, die seit dem 1. September 2009 gem. §§ 111 Nr. 10, 266 Abs 1 Nr. 3 FamFG als Familiensache gilt, ab dem 1. September 2009 erweitert i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO, ist für die Klageerweiterung das Familiengericht zuständig. Erging diese Entscheidung im November 2009, hat ein weiterer Senat des OLG Frankfurt im März 2010 hiervon abweichend entschieden, dass, wenn Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand haben, die Widerklage schon nach dem Normtext der Überleitungsvorschrift nicht als selbständiges Verfahren i.S.d. Art. 111 FGG-RG verstanden werden könne; denn eine solche Widerklage könnte entgegen dem gesetzlichen Erfordernis nicht i.S.d. Art. 111 Absatz 2 FGG-RG mit einer Endentscheidung abgeschlossen werden.
d) Vollstreckung
Die Vollstreckung eines Titels, der vor dem 1.9.2009 ergangen ist, wird nach den Vorschriften des FamFG zu erfolgen haben, denn das gerichtliche Verfahren ist in der Sache mit einer Entscheidung abgeschlossen. Anders sind hingegen Maßnahmen zu bewerten, die im Verfahren mit Zwangscharakter notwendig werden, um Handlungen einer Partei – oder von Zeugen – herbeizuführen/zu erzwingen. In dieser Fallgestaltung ist aber im Unterschied zur Zwangsvollstreckung das gerichtliche Erkenntnisverfahren noch nicht abgeschlossen.