BGB § 119 § 313 § 779 § 1578b

Leitsatz

1. Unterhaltsvereinbarungen, die auf der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.1.2011 (BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, FamRZ 2011, 437) beanstandeten Rechtsprechung des Senats zur Bedarfsermittlung durch Dreiteilung des zur Verfügung stehenden Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen sowie des früheren und des jetzigen unterhaltsberechtigten Ehegatten beruhen (BGH v. 30.7.2008 – XII ZR 177/06, BGHZ 177, 356), sind weder nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam noch nach §§ 119 ff. BGB anfechtbar. (Rn 17)

2. Die Anpassung solcher Vereinbarungen richtet sich nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage; sie kann frühestens für solche Unterhaltszeiträume verlangt werden, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.1.2011 nachfolgen. (Rn 26)

3. In Fällen, in denen die nacheheliche Solidarität das wesentliche Billigkeitskriterium bei der Abwägung nach § 1578b BGB darstellt, gewinnt die Ehedauer ihren wesentlichen Stellenwert bei der Bestimmung des Maßes der gebotenen nachehelichen Solidarität aus der Wechselwirkung mit der in der Ehe einvernehmlich praktizierten Rollenverteilung und der darauf beruhenden Verflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse; hieran hat die am 1.3.2013 in Kraft getretene Neufassung des § 1578b Abs. 1 BGB nichts geändert. (Rn 33)

BGH, Urt. v. 2.3.2013 – XII ZR 72/11 (OLG Zweibrücken, AG Kaiserslautern)

1 Tatbestand:

[1] Die im Rentenalter stehenden Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab dem 30.7.2008.

[2] Der 1940 geborene Kläger und die 1939 geborene Beklagte heirateten am 1.6.1962. Ihre Ehe, aus der zwei mittlerweile volljährige Kinder hervorgegangen sind, wurde auf einen am 29.1.1996 zugestellten Scheidungsantrag durch Urt. v. 18.6.1998 geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Zuvor hatten die Parteien im Scheidungsverbund zur Folgesache Unterhalt am 28.4.1998 einen gerichtlich protokollierten Vergleich geschlossen, wonach der Kläger an die Beklagte einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt in einer Gesamthöhe von 2.004,07 DM zu zahlen hatte. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung hatte die Beklagte für einen Kaufpreis von 200.000 DM den hälftigen Miteigentumsanteil des Klägers an dem vormaligen Familienheim der Parteien übernommen. Den Kaufpreis brachte der Kläger in die Finanzierung eines Einfamilienhauses ein, welches im gemeinschaftlichen Eigentum des seit dem Jahre 2000 wiederverheirateten Klägers und seiner zweiten Ehefrau steht.

[3] Der Kläger verfügt über eine gesetzliche Rente sowie über eine Betriebsrente, und er lebt mit seiner zweiten Ehefrau mietfrei in dem gemeinsamen Einfamilienhaus. Die Beklagte bezieht eine gesetzliche Rente. Auch sie wohnt mietfrei in dem – allerdings noch nicht schuldenfreien – eigenen Haus und erzielt zudem Miet- und Kapitaleinkünfte.

[4] Mit seiner am 16.1.2008 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst beantragt, die Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten in Abänderung des Vergleiches vom 28.4.1998 mit Rechtshängigkeit der Abänderungsklage entfallen zu lassen. Das Amtsgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben und den Prozessvergleich vom 28.4.1998 für den Zeitraum seit dem 16.1.2008 dahin abgeändert, dass der Kläger nur noch zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts in Höhe von 451 EUR verpflichtet ist. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt und in der Berufungsinstanz – klageerweiternd – auf einen vollständigen Wegfall seiner Unterhaltspflicht bereits seit dem 1.3.2007 angetragen. Im Laufe des Berufungsverfahrens haben die Parteien am 2.2.2010 vor dem Berufungsgericht einen Teilvergleich geschlossen, wonach zwischen den Parteien Einigkeit darüber besteht, dass seit dem 30.7.2008 keine Ansprüche auf Ehegattenunterhalt mehr begründet seien und der ursprüngliche Unterhaltstitel insoweit abgeändert wird. Diesem Vergleichsschluss hat ein Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 15.6.2009 zugrunde gelegen, wonach sich jedenfalls für den Zeitraum seit der Verkündung der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.7.2008 (BGHZ 177, 356 = FamRZ 2008, 1911) zur "Bedarfsbemessung durch Dreiteilung" angesichts der Einkommensverhältnisse der zweiten Ehefrau des Klägers voraussichtlich kein offener Unterhaltsbedarf der Beklagten mehr ergeben werde.

[5] Mit Schriftsatz vom 17.2.2011 hat die Beklagte den am 2.2.2010 geschlossenen Teilvergleich mit der Begründung angefochten, dass das Bundesverfassungsgericht durch seine Entscheidung vom 25.1.2011 (BVerfG FamRZ 2011, 437) die Dreiteilungsmethode für verfassungswidrig erklärt habe. Daneben hat sie hilfsweise Anschlussberufung und Widerklage erhoben und beantragt, den Teilvergleich vom 2.2.2010 dahin abzuändern, dass ihr auch für die Zeit nach dem 30.7.2008 der durch das Amtsgericht noch zugesprochene Unterhaltsanspruch in Höhe von 451 EUR zustehe. Das Oberlandesgericht hat die hilfsweise erhobene Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen und der Berufung des Klägers insoweit st...

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