Interview mit Rechtsanwalt Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages
Siegfried Kauder
FF/Schnitzler: Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu. Vor der Bundestagswahl im September 2013 soll noch einmal kurz Bilanz gezogen werden. Nach den umfangreichen neuen Gesetzgebungsvorhaben im Unterhaltsrecht (Unterhaltsrechtsreform 1.1.2008) und den Reformen zum Versorgungsausgleich, FamFG und Zugewinnausgleich (in Kraft seit 1.9.2009) sind in den letzten Jahren die Reformbemühungen erfreulicherweise nicht so dramatisch gewesen. Die Rechtsprechung und die Anwaltschaft hatten genug damit zu tun, sich mit den neuen Überlegungen im Unterhaltsrecht, Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und Verfahrensrecht zu befassen. Nach vielen Bemühungen ist zum 19.5.2013, also an Pfingsten, das neue Sorgerecht, insbesondere für nicht miteinander verheiratete Eltern in Kraft getreten.
Welche Erwartungen haben Sie mit diesem neuen Gesetz betreffend das Sorgerecht, das ein schriftliches und sehr vereinfachtes Verfahren u.a. vorsieht?
Kauder: Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren geöffnet. Mit den Neuregelungen zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern wird den veränderten Formen des Zusammenlebens angemessen Rechnung getragen. Der Anteil nicht-ehelicher Kinder hat sich in den letzten rund 20 Jahren mehr als verdoppelt. Auch in diesen Konstellationen bedarf es gesetzlicher Regelungen, die sich den gesellschaftlichen Bedürfnissen anpassen.
Ziel der Neuregelung des Sorgerechts ist es daher, unverheirateten Vätern den Zugang zum Sorgerecht für ihre Kinder zu erleichtern. Dies entspricht auch den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2010. Bisher hatten unverheiratete Väter keine Möglichkeit, gegen den Willen der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht durchzusetzen. Nach dem neuen Leitbild des Gesetzentwurfs sollen grundsätzlich beide Eltern die Sorge gemeinsam tragen, wenn das Kindeswohl dem nicht entgegensteht. Künftig kann der Vater die Mitsorge in einem beschleunigten und ggf. vereinfachten Verfahren dann erlangen, wenn die Mutter sich zu dem Antrag nicht äußert oder lediglich Gründe vorträgt, die erkennbar nichts mit dem Kindeswohl zu tun haben, und dem Gericht auch sonst keine kindeswohlrelevanten Gründe bekannt sind. Im Mittelpunkt der Neuregelungen steht somit stets das Kindeswohl.
Die bisherigen Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass das Gesetz von den Bürgern gut angenommen wird und insbesondere der vereinfachte Verfahrensweg den Bedürfnissen der Menschen Rechnung trägt.
FF/Schnitzler: Das Bundesverfassungsgericht hat am 6.6.2013, als der Deutsche Anwaltstag in Düsseldorf tagte, die seit Langem erwartete Entscheidung zum Ehegattensplitting für gleichgeschlechtliche Paare getroffen. Die ersten Sitzungen des Bundestages haben ja offenbar bereits stattgefunden, um eine entsprechende Anpassung vorzunehmen.
Wie weit sind hier die Bemühungen, den Auftrag des Gerichts noch in der Legislaturperiode umzusetzen?
Kauder: Die Koalition hat das Versprechen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen, eingehalten. So hat der Bundestag das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 bereits am 27. Juni 2013 verabschiedet.
FF/Schnitzler: Zum 1.3.2013 ist das Gesetz zur Änderung des § 1578b BGB in Kraft getreten (Stichwort: "Ehedauer").
Wäre es nicht sinnvoll gewesen, dieses Gesetz mit den entsprechenden Organisationen (Richterbund, Bundesrechtsanwaltskammer, Deutscher Anwaltverein), also mit der Fachöffentlichkeit zu diskutieren? War das Gesetz tatsächlich notwendig, wenn es lediglich eine Klarstellung der Rechtsprechung des BGH beinhaltet hat?
Kauder: Ja! Es geht um eine Klarstellung und nicht um inhaltliche Änderungen des materiellen Unterhaltsrechts.
Nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB richtet sich der nacheheliche Unterhalt grundsätzlich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Er beschränkt sich demnach weder auf eine bloße Kompensation ehebedingter Nachteile noch auf eine Teilhabe an dem während der Ehezeit gemeinsam Erwirtschafteten. Die Vorschrift berücksichtigt aber auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität als Grundprinzip des nachehelichen Unterhalts. Dies ist auch im Rahmen der Billigkeitsentscheidung für eine Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts zu beachten. Indem der § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB "insbesondere" auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abstellt, wird die Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte – z.B. die Dauer der Ehe – im Rahmen der Billigkeitsabwägung nicht ausgeschlossen.
In den Jahren nach der Reform von 2008 war leider die Tendenz zu beobachten, dass Gerichte, dann wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, den Unterhalt häufig "automatisch" befristen, ohne dabei die Dauer der Ehe zu berücksichtigen. Zwar hatte auch der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich in seiner Rechtsprechung ...