1. Erweiterung von Anwendbarkeit und Beraterkreis
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaats- und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 3 GG) verlangt, dass der Gesetzgeber auch im außergerichtlichen Bereich die erforderlichen Vorkehrungen trifft, damit der Rechtsuchende mit der Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte nicht von vornherein an mangelnden Einkünften oder ungenügendem Vermögen scheitert. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass auch im Bereich des Steuerrechts Beratungshilfe gewährt werden muss, was bislang durch das Gesetz nicht vorgesehen war. Zukünftig wird Beratungshilfe in allen Rechtsangelegenheiten gewährt und darf und muss auch durch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rentenberater gewährt werden.
Im Gesetz wird nun wie bei der Prozesskostenhilfe eine gesetzliche Definition sowohl der Mutwilligkeit als auch eine Definition der Erforderlichkeit der Beratung eingeführt. Mutwilligkeit liegt vor, wenn Beratungshilfe in Anspruch genommen wird, obwohl ein Rechtsuchender, der keine Beratungshilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände der Rechtsangelegenheit davon absehen würde, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen. Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit sind die Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers sowie seine besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Eine Vertretung ist erforderlich, wenn der Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann. Damit soll die Zahl der Erledigungen bei der Rechtsantragstelle direkt erweitert werden.
Auch bei der Beratungshilfe hat die Stellungnahme des Rechtsausschusses zu einigen wichtigen Änderungen des jetzt verabschiedeten Gesetzes geführt.
2. Vorherige Antragstellung und Aufhebung
Die vorherige Antragstellung wird nicht eingeführt. In Zukunft wird nachträglich Beratungshilfe nur dann gewährt, wenn der Antrag binnen 4 Wochen nach Beginn der Beratungstätigkeit gestellt wird. Diese Regelung ist für die Berater zu begrüßen. Sie schafft Rechtssicherheit, war bei nachträglicher Antragstellung für den Berater bis zur Erledigung der Angelegenheit unsicher, ob die Beratungshilfe bewilligt wird.
Außerdem werden die Aufhebungstatbestände erweitert, das Gericht kann die Bewilligung von Amts wegen aufheben, wenn die Voraussetzungen für die Beratungshilfe zum Zeitpunkt der Bewilligung nicht vorgelegen haben und seit der Bewilligung nicht mehr als ein Jahr vergangen ist.
Auch die Beratungsperson kann zukünftig die Aufhebung der Bewilligung beantragen, wenn der Rechtsuchende aufgrund der Beratung oder Vertretung, für die ihm Beratungshilfe bewilligt wurde, etwas erlangt hat. Der Antrag kann nur gestellt werden, wenn die Beratungsperson noch keine Beratungshilfevergütung beantragt hat und den Rechtsuchenden bei der Mandatsübernahme auf die Möglichkeit der Antragstellung und der Aufhebung der Bewilligung sowie auf die sich für die Vergütung nach § 8a Abs. 2 BerHG ergebenden Folgen in Textform hingewiesen hat. Nach Aufhebung der Beratungshilfe kann der Rechtsanwalt die normale Vergütung von der Partei verlangen, wenn er schriftlich vor der Beratung darauf hingewiesen hat. Diese Regelung kann sich als wenig praktikabel herausstellen in den häufigen Fällen, in denen der Berater erst im Laufe der Beratung feststellt, dass ein Anspruch auf Beratungshilfe besteht.
Leider ist eine problematische Regelung der Vergangenheit nicht geklärt worden, nämlich, ob der Berater die Beratung ablehnen darf, wenn er feststellt, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe nicht vorgelegen haben. Das kommt in der Praxis häufig vor, insbesondere weil Angaben zum Vermögen nicht gemacht oder nicht erfragt werden. Einen Hinweis ans Gericht wird der Berater nicht geben dürfen.
Auch die für die Familienrechtspraxis bedeutsame Frage, wie viel Angelegenheiten die Beratung und außergerichtliche Vertretung in einer familienrechtlichen Beratung ausmacht, mithin wie viel Beratungshilfescheine erteilt werden, wird nicht geklärt. Hier bleibt die Klärung der Rechtsprechung vorbehalten. Die ausgesprochen uneinheitliche Praxis bietet von einer Angelegenheit über mindestens zwei Angelegenheiten über vier Angelegenheiten bis acht Angelegenheiten für jeden etwas.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich zu dieser Frage bereits geäußert und hat die Tendenz ausgesprochen, dass verschiedene Angelegenheiten anzunehmen sind, weil das Beratungshilferecht ohnehin schon für den Rechtsanwalt wegen der nicht kostendeckenden Gebühren eine Belastung darstellt. Die Grenzen der Verfassungswidrigkeit wegen eines Eingriffes in die Berufsfreiheit mochte das Gericht allerdings (noch) nicht erkennen.