Eva Becker
"Familienanwälte in jeder Beziehung" – So lautet der neue Werberuf der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht, in der Erwartung damit öffentlichkeitswirksam kundzutun, dass wir in (fast) jeder Beziehung mit Rat und Tat immer gerne und kompetent zur Verfügung stehen.
Gilt das auch für die Beziehung zu unseren Mandanten?
Wann haben Sie sich zuletzt die Frage gestellt, was Ihre Mandanten von Ihnen erwarten – und Sie von Ihren Mandanten?
Betrachten wir einmal den Beginn dieser – meist langen und häufig anstrengenden – Beziehung:
Da sitzen sie im Wartezimmer: der überraschend Vater gewordene – mit einer anderen als der Mutter – verheiratete Banker, die langjährige Hausfrau und Mutter dreier Kleinkinder, die Studentin ebenso wie der gewiefte Bauunternehmer, und alle haben zumindest ein gemeinsames Problem: Sie wissen nicht genau, was und wer sie erwartet.
"Wann komme ich denn endlich dran, ich muss doch die Kinder noch abholen! Eigentlich sollte ich gar nicht hier sitzen, vielleicht probieren wir es erst noch einmal mit einer Eheberatung. Papa ist bestimmt stocksauer, wenn ein Anwalt ihn wegen des Unterhalts anschreibt. Hoffentlich muss ich nicht vor Gericht! Und wenn: Was ziehe ich dann bloß an? Ob ich jemand mitbringen kann? Ob ich ihr wirklich erzählen muss, dass ich einen neuen Freund habe, tut doch nichts zur Sache? Mein Kollege war zwar zufrieden mit ihr; aber was, wenn sie ihm von meinem unehelichen Kind erzählt, dann weiß es morgen meine Frau! So teure Bilder an der Wand: Das kann ich mir bestimmt nicht leisten. Wer soll das alles bezahlen? Wie sie wohl aussieht?"
So ähnlich müssen wir uns wohl vorstellen, was da ungehört in unseren Wartezimmern vor sich geht. Eigentlich wissen wir um die meisten dieser Nöte und dennoch gelingt es nicht immer, sich damit auseinanderzusetzen. Die Gründe sind so verschieden wie bekannt:
Mit dem Ablauf der Berufungsfrist im Nacken scheint ein Hinweis auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht all zu unwichtig und die Aufklärung über die Vergütungsregeln des RVG und die – selbst dem Familienrechtler nicht leicht eingängigen – Niederungen der Anrechnungsregeln obsolet. Die weißen Socken in Kombination mit dem gegelten Haar des Bankers rufen spontane Abneigung hervor, und Empathie für die Sorge um die Folgen seiner vermutlich in die Brüche gehenden Ehe will sich partout nicht einstellen. Steht der Urlaub vor der Tür und tobt das Chaos einen Tag vor Abflug noch auf dem Schreibtisch, kostet das Reichen des Taschentuchs an die von der Unterhaltsrechtsreform gebeutelte Hausfrau ganz besondere Überwindung und ein freundlicher Empfang der Studentin wird nicht leichter durch die Erwartung, für ihre Abänderungsklage ein PKH-Formular ausfüllen und der zu Hause nörgelnden Tochter erklären zu müssen, weshalb Mama heute wieder so lange arbeiten musste. Wer befasst sich schließlich gerne mit den aus familienrechtlicher Sicht günstigen, aber womöglich strafrechtlich bewehrten Ideen des Bauunternehmers zu Steuer- und noch besser: Unterhaltssparmodellen, wenn der eigene Steuerberater dringend auf eine Erklärung zu den – wohl doch nicht überwiegend beruflich veranlassten – Reisekosten wartet?
So beginnt auch diese Beziehung zwischen Anwalt und Mandant mit einer Flut an nonverbaler Kommunikation, die beiden Seiten nicht immer bewusst ist.
Wir Anwälte sollten uns diese Situation dennoch immer wieder verdeutlichen. Denn das Ziel sollte in unserem eigenen, auch wirtschaftlichen Interesse sein, dass sich die Mandanten verstanden und gut aufgehoben fühlen, ja nicht nur zufrieden, sondern begeistert sind. Es ist gerade in Familiensachen eben nicht nur die Professionalität der Dienstleistung, sondern die von gegenseitigem Vertrauen geprägte Beziehung zwischen Anwalt und Mandant Grundlage einer erfolgreichen Zusammenarbeit.
Geben Sie auf sich und Ihren neuen Mandanten acht. Es lohnt sich für beide Seiten.
Eva Becker, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin