Thesen:
1. Inzwischen lebt jedes zehnte Paar mit gemeinsamem Haushalt in Deutschland nichtehelich zusammen (insgesamt 2,4 Mio. Paare). Der typische Fall ist dabei, dass beide Partner unter 35 Jahre alt sind, voll berufstätig oder in Ausbildung sowie ledig und kinderlos.
2. Der Anteil der nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern wird auf ca. 30 % geschätzt. Allerdings betrifft das ganz überwiegend Kinder, die aus früheren Beziehungen stammen und in die nichteheliche Lebensgemeinschaft mitgebracht wurden. Gemeinschaftliche Kinder findet man nur in 5 % aller nichtehelichen Lebensgemeinschaften.
3. Ehe und nichteheliche Lebensgemeinschaft können nicht länger als Gegensätze begriffen werden. Sie erfüllen heute vielmehr ähnliche Aufgaben und unterscheiden sich nach außen oft kaum voneinander. Ein modernes Familienrecht sollte daher nicht mehr nur auf die rechtliche Form blicken, sondern die realen Probleme in Angriff nehmen.
4. Die drängendsten Problemkreise bilden: (a) Nichteheliche Lebensgemeinschaften, die nach dem Hausfrauenmodell gelebt werden, (b) Vermögensverschiebungen zwischen den Partnern und (c) der Schutz der nichtehelichen Stieffamilie.
5. Nach der anerkannten Definition des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 87, 234) handelt es sich bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft um eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Mit dieser Definition kann in der Praxis gut gearbeitet werden. Auf welche Indizien es ankommt, ist weitgehend klar. Die tatsächlichen Feststellungsprobleme halten sich in Grenzen.
6. Einzelnen Schutznormen zu Gunsten der nichtehelichen Lebensgemeinschaft steht Art. 6 Abs. 1 GG nicht entgegen. Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2 GG) gebieten vielmehr Regelungen zum Schutz des schwächeren Partners.
7. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit gemeinschaftlichen Kindern steht als Familie i.S.v. Art. 6 Abs. 1 GG unter besonderem staatlichen Schutz (BVerfGE 112, 50). Eine Schutzlücke bleibt jedoch für die nichteheliche Stieffamilie bestehend aus einem Elternteil, Kind und nicht angeheiratetem Stiefelternteil.
8. Eine gesetzliche (Teil-)Regelung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bedeutet keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Handlungsfreiheit der Partner (Art. 2 Abs. 1 GG). Auch bewusste Bindungslosigkeit ist nicht mit einem Verzicht auf Rechtsschutz gleichzusetzen. Es ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers dafür zu sorgen, dass die Risiken, die mit dem Fehlen einer bestimmten rechtlichen Form verbunden sind, angemessen verteilt werden.
9. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft genießt im 21. Jahrhundert einen hohen Grad an Akzeptanz. Unsere Gesellschaft profitiert davon, wenn unverheiratete Partner lange zueinander halten und füreinander einstehen, sich Betreuungs- und Pflegeleistungen erbringen etc. Der Gesetzgeber sollte daher zur Stabilisierung solcher Gemeinschaften beitragen.
10. In "Hausfrauenbeziehungen" stellen sich bei langjähriger Arbeitsteilung oft partnerschaftsbedingte Fortkommensnachteile ein. Hierfür trägt der andere Partner die Mitverantwortung. Es wäre treuwidrig, wenn er sich im Trennungsfall schlicht auf die rechtliche Bindungslosigkeit berufen könnte. Hier bestehen ähnliche Schutzbedürfnisse wie zwischen Ehegatten. Regelungsbedürftig sind: die Verteilung des Hausrats, die Zuweisung der Wohnung, die Unterhaltsfrage und der Ausgleich des gemeinsam Erwirtschafteten.
11. Für Hausratsverteilung und Zuweisung der Wohnung sollten auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften Regelungen in Anlehnung an die §§ 2, 8, 9 HausratsVO erlassen werden.
12. Für den Fall partnerschaftsbedingter Unterhaltsbedürftigkeit ist ein befristeter gesetzlicher Unterhaltsanspruch zu schaffen. Anspruchshöhe und -dauer müssten einzelfallabhängig nach Billigkeit bestimmt werden.
13. Unverheiratete haben grundsätzlich keinen Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten. Eine Ausnahme sollte jedoch gelten, wenn es auf Grund der Umstände des Einzelfalls grob unbillig wäre, einen Anspruch auf Vermögensausgleich zu versagen. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn und soweit ein Partner wegen der Erbringung von Haushaltsführungs-, Pflege- oder Erziehungsleistungen auf Wunsch des Partners während der Lebensgemeinschaft an der Vermögensbildung durch eigene Berufstätigkeit gehindert war.
14. Die Rechtsprechung zu Ansprüchen Unverheirateter auf Rückabwicklung größerer Vermögensverschiebungen im Trennungsfall ist bislang zu restriktiv. Die für Ehegatten in Gütertrennung entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze zu Ausgleichsansprüchen wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage sollten auf nichteheliche Lebensgemeinschaften übertragen werden.
15. Sofern...