1. Verhältnis zu Entscheidungen nach § 1632 Abs. 4 BGB
Ist nach alldem eine Rückkehr des Kindes zu seinen leiblichen Eltern wegen fortbestehender Erziehungs- oder persönlicher Defizite mit Gefahren für das Kindeswohl verbunden, muss eine Entscheidung nach § 1666 BGB Vorrang haben vor einer solchen nach § 1632 Abs. 4 BGB. Dagegen kommt eine Aufeinanderfolge einer Entscheidung nach § 1632 Abs. 4 BGB und nach § 1666 BGB in Betracht, wenn die Rückführung des Kindes nach Erlass einer Verbleibensanordnung innerhalb des in § 37 Abs. 1 S. 2 SGB VIII genannten Zeitraums nicht möglich ist. Im Interesse der Kontinuität der faktischen Familienbeziehung kommen dann die Pflegeeltern als Pfleger oder gar als Vormund des Kindes in Betracht. Zieht man die Wertung dieser Norm in die Auslegung des § 1666a Abs. 2 BGB hinein, so bestehen hier keine "andere(n) Maßnahmen" zur Abwendung der Gefahr für das Kindeswohl als die (teilweise) Entziehung der elterlichen Sorge.
Wurde dagegen zunächst die elterliche Sorge wegen Vernachlässigung des Kindes oder unverschuldeten Versagens der Eltern/des sorgeberechtigten Elternteils entzogen und ist die in dem Elternverhalten begründete Gefahr für das Kindeswohl, wie im Ausgangsfall, weggefallen, weil etwa die wirtschaftliche und persönliche Situation der Kindesmutter sich konsolidiert hat und sich die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie verbessert haben, so ergeht eine Sorgerechtsentscheidung nach § 1696 Abs. 2, 3 BGB. Diese Entscheidung kann im Interesse des Kindeswohls und den Interessen der Pflegeeltern mit einer Maßnahme nach § 1632 Abs. 4 BGB verbunden werden.
Allerdings kann mit der Wiedererlangung der vollen elterlichen Sorge wieder eine neue Gefahr für das Kindeswohl entstehen, die es verlangt, neben einer Entscheidung nach § 1632 Abs. 4 BGB auch eine solche nach § 1666 BGB zu erlassen oder den Umfang der Aufhebungsentscheidung nach § 1696 Abs. 2 BGB auf einzelne Sorgerechtsangelegenheiten zu begrenzen. Diese neue Gefahr kann etwa in der wiedererlangten Möglichkeit liegen, jederzeit und immer wieder die Herausgabe des Kindes zu verlangen. Fraglich ist aber, ob diese Gefahr bereits ausreicht, um die elterliche Sorge nach § 1666 BGB zu entziehen. Zwar ist das Herausgabeverlangen grundsätzlich nur Ausdruck der Ausübung eines Sorgerechts und als solches nicht missbräuchlich. Jedoch kann in dem Verlangen eine Nichtberücksichtigung der entstandenen Bindungen des Kindes zu den Pflegeeltern und deswegen doch ein Missbrauch liegen. Dies gilt vor allem dann, wenn innerhalb der in § 37 Abs. 1 S. 2 SGB VIII genannten Frist angebotene Hilfen des Jugendamtes zur Herstellung der Bindungsfähigkeit nicht oder nur unzureichend angenommen wurden.
Das Gleiche gilt, wenn das Herausgabeverlangen lediglich Ausdruck von Auseinandersetzungen des leiblichen Elternteils mit den Pflegeeltern nach Erlass einer Entscheidung nach § 1632 Abs. 4 BGB ist oder die leiblichen Eltern das Pflegeverhältnis durch Rücknahme des Antrags auf Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 33 SGB VIII gegenüber dem Jugendamt gefährden. Z.T. wird es sogar als ausreichend angesehen, dass nach Erlass einer Entscheidung nach § 1632 Abs. 4 BGB eine Rivalität um die Gunst des Kindes zwischen Pflegeeltern und leiblichen Eltern besteht und erhebliche Auseinandersetzungen mit negativen Auswirkungen auf das Kindeswohl nur zu befürchten sind. Da allerdings § 1666 BGB das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr verlangt, wird allein die abstrakte Möglichkeit einer Auseinandersetzung bzw. eines Boykotts noch nicht ausreichen. Ob das Ergebnis auf der Grundlage von § 1666 BGB n.F. ein anderes ist, soll hier dahinstehen. Die Antwort hängt davon ab, ob die Neuregelung zu einer Senkung der Eingriffsschwelle des Staates führt oder nicht.
Die Rivalität zwischen leiblichen und Pflegeeltern verlangt jedoch nicht zwingend die Entziehung der gesamten Personensorge. Vielmehr kann nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einzelfall genügen, das Recht zu entziehen, Anträge nach §§ 27 ff. SGB VIII zu stellen, oder den Eltern einfach nur zu untersagen, in das Pflegeverhältnis einzugreifen, und diese Entscheidung mit einer Maßnahme nach § 1632 Abs. 4 BGB zu verbinden.