oder: Wie ausschlaggebend ist die Qualität der Betreuung?
Die "gute" Mutter will eine optimale Betreuung für ihr Kind. Sie bringt es in einen Kindergarten mit hehren Erziehungszielen, einem fein ziselierten pädagogischen Konzept, hochqualifiziertem Personal, das nach neuesten Erkenntnissen frühkindlicher Förderung mit den Kindern an der Herausformung einer sozial kompetenten und für eine künftige Führungsposition in jeder Hinsicht gerüsteten Persönlichkeit arbeitet. So eine Einrichtung hat ihren Preis. Weil die Ziele aber gut und billigenswert sind, muss er bezahlt werden, und zwar neben dem Unterhalt, bemessen nach der Düsseldorfer Tabelle von beiden berufstätigen Eltern anteilig, denn diese Kosten sind Mehrbedarf des Kindes. Irgendwann verlässt das Kind den Kindergarten, die "gute" Mutter möchte es aber weiterhin in pädagogisch wertvollen Händen wissen und erkundigt sich nach Privatschulen, die ein gleichermaßen qualifiziertes, auf individuelle Unterrichtsmethoden angelegtes Konzept vorweisen können. Jetzt aber weht ihr der Wind der Rechtsprechung ins Gesicht. Im Rahmen einer Ausbildung bestehe kein Anspruch auf Luxus, ohnehin sei nicht geklärt, dass die Ausbildung an einer Privatschule derjenigen an einer staatlichen Schule überlegen wäre. Die Kosten hierfür begründen keinen Mehrbedarf des Kindes, die "gute" Mutter bleibt auf ihnen sitzen.
Die "Rabenmutter" beginnt – ihrer Eigenverantwortung entsprechend – mit einer Erwerbstätigkeit, nachdem ihr Kind das dritte Lebensjahr erreicht hat. Der örtliche, für sie allein erreichbare Kindergarten weist bei weitem nicht die Qualität des Kindergartens auf, den die "gute" Mutter für ihr Kind gewählt hat, es gibt keinen Hochglanzprospekt zu den Erziehungszielen, die Gruppen sind größer und man sieht die Erzieherinnen bei schönem Wetter sich unterhaltend im Garten stehen, während die Kinder im Sandkasten sich selbst überlassen sind. Trotzdem werden die Kosten schon Mehrbedarf des Kindes sein, in der Regel jedenfalls, denn irgendetwas lernt man in jedem Kindergarten. Sobald das Kind aber in die Schule kommt und dort den Hort besucht, in dem streng genommen nur Essen, Sitzplatz und Beleuchtung geboten sind, aber keine weitere pädagogische Arbeit geleistet wird, stellen die Kosten – ist Maßstab der erzieherische Wert – nicht länger Mehrbedarf des Kindes dar. Weil für das Kind ein Hortplatz aber tatsächlich zur Verfügung steht, muss die "Rabenmutter" ihre Erwerbstätigkeit sogar ausbauen und verliert nun ihren Unterhaltsanspruch. Die Hortkosten können deshalb nicht einmal mehr bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts einbezogen werden und fallen ihr daher allein zur Last.
Immerhin sitzen beide Mütter am Schluss im gleichen Boot.
Sollten wir Betreuungskosten künftig nicht generell als Mehrbedarf des Kindes werten, nachdem ein Kind doch tatsächlich Bedarf an Betreuung hat, wenn der Elternteil berufsbedingt abwesend ist, und zwar unabhängig davon, wie erzieherisch wertvoll die Betreuung ist? Dann entscheidet die uns wohlbekannte sachliche Berechtigung dieses Mehrbedarfs und dessen wirtschaftliche Zumutbarkeit über die Verpflichtung zur Kostenübernahme, nicht aber ein ungleich schwieriger zu beurteilendes pädagogisches Konzept.
Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd Brudermüller, Vors. Richter am OLG Karlsruhe Dr. Isabell Götz, Richterin am OLG München