1. Nach der bisherigen Regelung in § 1374 Abs. 1, 2. Hs. BGB können Verbindlichkeiten nur bis zur Höhe des Vermögens abgezogen werden. Konsequenz dieser im Schrifttum zu Recht heftig kritisierten gesetzlichen Regelung ist es, dass Vermögensmehrungen während des ehelichen Zusammenlebens nicht berücksichtigt werden, soweit sie dem Ausgleich eines negativen Anfangsvermögens dienen. Damit wird der Ehegatte, der schuldenfrei in die Ehe geht, eklatant benachteiligt. Der mit Verbindlichkeiten in die Ehe gehende Ehegatte ist deutlich besser gestellt als sein schuldenfreier Partner, denn er übernimmt über den Zugewinn quasi die Hälfte der Verbindlichkeiten. Zwar besteht schon bisher die Möglichkeit, in einem Ehevertrag zu vereinbaren, dass als Anfangsvermögen ein negativer Wert angesetzt wird, eine Korrektur des ungerechten Ergebnisses der Nichtberücksichtigung eines negativen Anfangsvermögens über § 1381 BGB ist jedoch nicht möglich, weil es sich um eine systemimmanente Ungerechtigkeit handelt.
Die gesetzliche Neuregelung sieht vor, in Abs. 1 den letzten Halbsatz zu streichen und fügt folgenden Absatz 3 ein: "Verbindlichkeiten sind über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen". Mit dieser Neuregelung ist klargestellt, dass die Berücksichtigung eines negativen Anfangsvermögens auch für einen privilegierten Erwerb nach Abs. 2 gilt; damit soll verhindert werden, dass sich bei Übernahme von privilegiert erworbenen Verbindlichkeiten das Endvermögen mindert. Ein privilegierter Erwerb, der mit Belastungen verbunden ist und die Aktiva übersteigt, so dass wirtschaftlich ein Erwerb nicht stattfindet, wird ins Minus gestellt. Soweit die Verbindlichkeiten getilgt werden, ist der wirtschaftliche Zuwachs zu teilen.
Beispiel 1: (alle Beispiele ohne Indexierung)
Anfangsvermögen des M |
./. 100.000,00 EUR |
Endvermögen des M |
100.000,00 EUR |
Anfangsvermögen der F |
0,00 EUR |
Endvermögen der F |
100.000,00 EUR |
Zugewinn des M |
200.000,00 EUR |
Zugewinn der F |
100.000,00 EUR |
Ausgleichsanspruch der F (200.000 EUR./. 100.00 EUR = 100.000 : 2 =) |
50.000,00 EUR |
Beispiel 2:
Anfangsvermögen des M |
80.000,00 EUR |
Aktivendvermögen |
120.000,00 EUR |
Hinzuerwerb nach § 1374 Abs. 2 |
./. 60.000 EUR |
Anfangsvermögen der F |
0,00 EUR |
Endvermögen der F |
0,00 EUR |
Berechnung: Anfangsvermögen des M (80.000 EUR ./. 60.000 EUR =) |
20.000,00 EUR |
Endvermögen (Aktiva 120.000 EUR ./. Passiva bei unverändertem |
|
Schuldenstand von 60.000 EUR =) |
60.000,00 EUR |
Ausgleichsanspruch 60.000 EUR ./. 20.000 EUR = 40.000 EUR : 2 = |
20.000,00 EUR |
Weiteres Beispiel:
Anfangsvermögen des M |
0,00 EUR |
Hinzuerwerb des M nach § 1374 Abs. 2 BGB |
./. 300.000,00 EUR |
Endvermögen des M |
600.000,00 EUR |
Anfangsvermögen der F |
0,00 EUR |
Endvermögen der F |
100.000,00 EUR |
Ausgleichsanspruch der F |
|
(900.000 EUR ./. 100.000 EUR = 800.000 EUR : 2 =) |
400.000,00 EUR |
2. Neuregelung des § 1375 Abs. 1 BGB
§ 1375 Abs. 1 Satz 2 wird wie folgt neu gefasst:
"Verbindlichkeiten sind über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen"
Bei dieser Neuregelung handelt es sich um eine zwingende Folgeregelung zur Einführung des negativen Anfangsvermögens, um Fälle zu erfassen, in denen ein bei Eheschließung verschuldeter Ehegatte wirtschaftlich einen Zugewinn erzielt, ohne aber einen Vermögensüberschuss zu erreichen. Auch bei einem negativen Endvermögen kommt es so zu einer Beteiligung an dem in der Schuldenminderung liegenden Gewinn allein dann, wenn der – nach wie vor – verschuldete Ehegatte ausgleichsberechtigt ist. Allerdings verringert sich die Differenz seines Zugewinns, der in der Verringerung der Schulden besteht, zu dem Zugewinn seines Ehepartners, der aus Aktivvermögen besteht.
Beispiel:
Anfangsvermögen des M |
./. |
200.000,00 EUR |
Endvermögen des M |
./. |
100.000,00 EUR |
Anfangsvermögen der F |
|
0,00 EUR |
Endvermögen der F |
|
200.000,00 EUR |
Ausgleichsanspruch nach geltendem Recht: 200.000 EUR : 2 = |
|
100.000,00 EUR |
Ausgleichsanspruch nach künftigem Recht: Zugewinn der F (200.000 EUR ./. wirtschaftlicher Zuwachs des M 100.000 EUR = 100.000 EUR : 2 =) |
|
50.000,00 EUR |
Im Zuge der Beratungen durch den Rechtsausschuss ist § 1375 Abs. 2 Satz 1 wie folgt ergänzt worden:
"Ist das Endvermögen eines Ehegatten geringer als das Vermögen, das er in der Auskunft zum Trennungszeitpunkt angegeben hat, so hat dieser Ehegatte darzulegen und zu beweisen, dass die Vermögensminderung nicht auf Handlungen i.S. des Satzes 1 Nr. 1–3 zurückzuführen ist."
Zweck der Beweislastregelung ist der Schutz vor illoyalen Vermögensminderungen. Nunmehr hat ein Ausgleichsschuldner Vermögensminderungen zwischen dem Zeitpunkt der Trennung und dem Stichtag für das Endvermögen nachvollziehbar darzulegen. Sofern er dazu nicht in der Lage ist, werden die Differenzbeträge als Zugewinn behandelt. Durch die Ausweitung des Auskunftsanspruchs ...