Die Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht beim 61. Deutschen Anwaltstag hatte zumindest auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zum Zentralthema "Kommunikation im Kampf ums Recht"“. Vielmehr waren die drei Vorträge so gewählt worden, dass sie die Vielfalt der familienrechtlichen Fragestellungen jenseits der traditionellen Scheidungsproblematik veranschaulichten. Der Bezug zur Kommunikation war während der von Rechtsanwalt Dr. Mathias Grandel, Augsburg, moderierten Veranstaltung dennoch allgegenwärtig.
RAin Rakete-Dombek, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht, begrüßt die Teilnehmer der Veranstaltung.
Der Geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht.
Unter dem Titel "Die Patientenverfügung in Theorie und Praxis" stellte Rechtsanwalt Dino Zirngibl, Augsburg, dar, dass neben den rechtlichen Fragestellungen, die mit diesem Thema zusammenhängen, vor allem die Kommunikation zwischen den beteiligten Personen von Bedeutung ist. Bei seiner Erläuterung der neuen §§ 1901a, 1901b und 1904 BGB, die durch das dritte Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 1.9.2009 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt worden waren, ging er zunächst auf das bereits 2003 eingeleitete Gesetzgebungsverfahren ein. Davon ausgehend erklärte er ausführlich die Legaldefinition der Patientenverfügung in § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB. Diese enthält zugleich die formellen, persönlichen und inhaltlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen. Als besonders problematisch stellte er hierbei das Erfordernis der Bestimmtheit der in der Patientenverfügung geregelten Maßnahmen dar. Er wies darauf hin, dass es sich empfiehlt, die für bestimmte Lebens- und Behandlungssituationen möglichen medizinischen Vorgehensweisen zusammen mit einem Arzt zu ermitteln. Nach Ausführungen zu der umstrittenen Frage des Adressaten der Patientenverfügung ging Zirngiblauf die Folgen einer nicht wirksamen bzw. auf eine bestimmte Situation nicht zutreffenden Patientenverfügung ein. Hier kann nur auf Behandlungswünsche des Patienten zurückgegriffen werden, die sich aus der Patientenverfügung ergeben können oder anhand des mutmaßlichen Willens zu ermitteln sind. Zum Abschluss veranschaulichte er unter Einbeziehung konkreter Beispiele mögliche Probleme bei der Formulierung einer Patientenverfügung. In diesem Zusammenhang empfahl er, die Patientenverfügung zur Vermeidung von Widersprüchen mit einer Organspendeerklärung zu verbinden, betonte jedoch, dass es die "ideale" Patientenverfügung nicht gibt.
v.l.: VRiOLG Prof. Dr. Brudermüller im Gespräch mit RABGH Prof. Dr. Vorwerk.
In seinem Vortrag "Konflikt mit der Staatskasse – Probleme bei übergegangenen Unterhaltsansprüchen" wies Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Conradis, Duisburg, darauf hin, dass die Kommunikation von Rechtsanwälten und Mandanten mit den jeweils zuständigen Sozialleistungsträgern angesichts einer Vielzahl offener Fragen von herausragender Bedeutung ist. Seine Ausführungen, die er durch mehrere Rechenbeispiele veranschaulichte, konzentrierten sich auf die in der familienrechtlichen Praxis bedeutsamen Regelungen des Unterhaltsvorschussgesetzes und der Sozialgesetzbücher II und XII. Er betonte, dass die erbrachten Sozialleistungen angesichts abweichender Berechnungsgrundlagen nicht dem eigentlichen Unterhaltsanspruch entsprechen müssen. Erste Probleme entstehen insofern bereits, wenn ein Unterhaltsanspruch nur teilweise auf einen Sozialleistungsträger übergeht oder ein Übergang auf verschiedene Leistungsträger stattfindet. Zusätzliche Schwierigkeiten können aus einer möglichen Rückübertragung des Anspruchs auf den Unterhaltsberechtigten folgen. Ferner ging er auf die Fragen ein, die sich daraus ergeben, dass der Unterhaltsschuldner durch Unterhaltszahlungen nicht selbst hilfebedürftig werden darf, der familienrechtlich definierte Selbstbehalt jedoch nicht zwingend mit dem sozialrechtlich errechneten Bedarf und den hierbei zu berücksichtigenden Freibeträgen übereinstimmen muss. Schließlich stellte er die Problematik der gerichtlichen Geltendmachung von (teilweise) übergegangenen Unterhaltsansprüchen dar sowie die in der Praxis seltenere Konstellation eines gerichtlichen Vorgehens des Sozialleistungsträgers gegen den Unterhaltsgläubiger bzw. Leistungsberechtigten.
Zum Abschluss der Veranstaltung informierte Notar Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz (Regen) über "Partnerschaftsverträge für nichteheliche Lebensgemeinschaften"“. Ausgehend von der bewusst provokativ gewählten Aussage
"Don’t marry, be happy" stellte er die Frage, ob das Zusammenleben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und deren Abwicklung anlässlich der Trennung tatsächlich unkomplizierter sind als die Eheschließung und deren mögliche Folgen im Fall der Scheidung. Bei seiner Darstellung der historischen Entwicklung der Familienmodelle betonte er, dass rechtliche Probleme nicht nur bei nichtehelich zusammenlebenden Partnern, sondern auch bei anderen auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften, wie etwa dem Zusammenleben älterer Menschen oder ...