1. Vertragsfreiheit gem. § 1408 vs. Schutzfunktion des Zugewinnausgleichs?
Die Wurzel der Gesamtproblematik liegt darin, dass die nach dem Wortlaut des § 1408 BGB unbeschränkte Ehevertragsfreiheit in deutlichem Spannungsverhältnis zu Sinn und Zweck des Zugewinnausgleichs steht: Über die ratio des Halbteilungsgrundsatzes ist viel gestritten worden. Der Reformgesetzgeber beurteilt ihn jedoch als bewährt und im allgemeinen Rechtsbewusstsein verankert. Er führt ihn in der Gesetzesbegründung auf "die Vermutung" zurück, dass beide Ehegatten einen gleichen Beitrag zu dem in der Ehe Erwirtschafteten geleistet hätten. Diese Vermutung entspreche dem Charakter der Ehe als einer von Gleichberechtigung geprägten Gemeinschaft. Sie orientiere sich zunächst an der Ehe mit unterschiedlicher Aufgabenverteilung, in der der Ehegatte, der selbst nicht oder in eingeschränktem Maße beruflich tätig war, dem anderen jedoch die volle Teilhabe am Berufsleben ermöglicht hat. Sie trage aber auch dem Umstand Rechnung, dass die Vermögensmehrung in der Ehe neben der Aufgabenteilung bei Erwerb und Haushalt von zahlreichen weiteren Faktoren abhängen könne wie der Wirtschaftlichkeit von Anschaffungen, der Bereitschaft zum Konsumverzicht oder der Geschicklichkeit bei Geldanlagen. Aus diesem Grund sei die Halbteilung auch bei Doppelverdiener- und Zuverdiener-Ehen grundsätzlich sachgerecht. Der stark schematisierende und typisierende Ansatz gewährleiste Praxistauglichkeit und Rechtssicherheit. Der Gesetzgeber erklärt damit den Zugewinn der Sache nach als Angebot einer bewährten Modellregelung, die die Ehepartner von aufwändigem Nachdenken über zukünftige Eventualitäten entlastet, von der sie aber auch nach ihren individuellen Bedürfnissen abweichen können. Die Ehevertragsfreiheit gem. § 1408 BGB legitimiert der Gesetzgeber ausdrücklich damit, dass es sachgerecht sei, die vielfältigen Konstellationen in der Doppelverdiener-Ehe durch Ehevertrag zu regeln, insbesondere, wenn beide Ehegatten gemeinsam unternehmerisch tätig seien. Nicht ausdrücklich angesprochen wird dagegen die Frage, ob eine umfassende Ehevertragsfreiheit auch für die arbeitsteilig organisierte Einverdiener-Ehe, das sog. Ernährermodell im Gegensatz zum adult-worker-Modell, sinnvoll ist. Genau hier liegt aber das Problem. In der Einverdiener-Ehe bietet der Zugewinnausgleich über eine Teilhabe hinaus vor allem auch einen Ausgleich für den Verzicht des für die Familienarbeit zuständigen Ehepartners auf eigene Einkommens- und Vermögensbildungschancen; der Zugewinnausgleich entfaltet hier also auch Schutzfunktion.
2. Wirksamkeitskontrolle als Kompensation „strukturell ungleicher Verhandlungsstärke“?
Damit stellt sich die Frage, ob die Vertragsparteien solche dispositiven Regelungen mit Schutzfunktion beliebig und vollständig abwählen können oder ob entsprechende Regelungen eine Ordnungs- und Leitbildfunktion entfalten, die eine richterliche Inhaltskontrolle legitimieren können.
Das BVerfG anerkennt im Ausgangspunkt das Postulat der "Richtigkeitsgewähr", dass der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien im Regelfall auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen lässt, den der Staat grundsätzlich zu respektieren habe. Eine Inhaltskontrolle fordert es allerdings für die Konstellationen, in denen der Vertragsinhalt für eine Vertragspartei ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich unangemessen ist und außerdem Ausdruck "gestörter Parität" als Folge "strukturell ungleicher Verhandlungsstärke" ist. Dabei stellt es ausdrücklich darauf ab, dass es sich um eine typisierbare Fallgestaltung einer strukturellen Unterlegenheit han...