BGB § 1378 Abs. 2 § 1376 Abs. 2
Leitsatz
1. Im Zugewinnausgleich ist grundsätzlich auch der Vermögenswert einer freiberuflichen Praxis zu berücksichtigen.
2. Bei der Bewertung des Goodwills ist ein Unternehmerlohn abzusetzen, der den individuellen Verhältnissen des Praxisinhabers entspricht. Der Unternehmerlohn hat insbesondere der beruflichen Erfahrung und der unternehmerischen Verantwortung Rechnung zu tragen sowie die Kosten einer angemessenen sozialen Absicherung zu berücksichtigen.
3. Von dem ermittelten Wert der Praxis sind unabhängig von einer Veräußerungsabsicht latente Ertragsteuern in Abzug zu bringen. Diese sind nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen zu bemessen, die am Stichtag vorlagen.
BGH, Urt. v. 2.2.2011 – XII ZR 185/08 (OLG Hamm, AG Witten)
1 Tatbestand:
[1] Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Zugewinnausgleich in Anspruch
[2] Die 1980 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 8.9.2003 zugestellten Antrag rechtskräftig geschieden. Die Beklagte betreibt selbstständig eine Steuerberaterpraxis und ist zu ½-Anteil an einer GmbH beteiligt, die sich ebenfalls mit Steuerberatung befasst. Beide Parteien hatten kein Anfangsvermögen ( … )
[5] Streit besteht zwischen den Parteien über die Bewertung der Steuerberaterpraxis sowie der GmbH-Beteiligung der Beklagten zum Endstichtag 8.9.2003. Der Wert der Praxis ist in dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen C. nach dem modifizierten Umsatzwertverfahren mit 392.400 EUR ermittelt worden; der Ertragswert wurde demgegenüber mit 353.100 EUR angegeben. Hinsichtlich des GmbH-Anteils gelangte der Sachverständige zu einem Wert von 9.900 EUR (modifiziertes Umsatzwertverfahren) bzw. von 7.000 EUR (Ertragswertverfahren) ( … )
2 Aus den Gründen:
( … )
[8] Die Revision ist nicht begründet ( … )
[16] I. Ob dem Kläger nach § 1378 Abs. 1 BGB ein Zugewinnausgleichsanspruch zusteht, hängt davon ab, mit welchen Werten die noch streitigen Positionen – Steuerberaterpraxis und GmbH-Anteil – im Endvermögen der Beklagten anzusetzen sind.
[17] 1. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht der Wertermittlung der Steuerberaterpraxis die – modifizierte – Ertragswertmethode zugrunde gelegt hat (vgl. auch Senatsurt. v. 9.2.2011 – XII ZR 40/09, FamRZ 2011, 622 Rn 17 ff. m. Anm. Koch, FamRZ 2011, 627 f. und Barth, FamRZ 2011, 705 f.) ( … )
[24] aa) Für die Bewertung des Endvermögens nach § 1376 Abs. 2 BGB ist der objektive (Verkehrs-)Wert der Vermögensgegenstände maßgebend. Ziel der Wertermittlung ist es deshalb, die Praxis der Beklagten mit ihrem "vollen, wirklichen" Wert anzusetzen. Grundsätze darüber, nach welcher Methode das zu geschehen hat, enthält das Gesetz nicht. Die sachverhaltsspezifische Auswahl aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Methoden (vgl. die Zusammenstellungen von Schröder, Bewertungen im Zugewinnausgleich, 4. Aufl., Rn 67 ff. und Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 5. Aufl., Rn 116 ff.) und deren Anwendung ist Aufgabe des – sachverständig beratenen – Tatrichters (vgl. etwa Senatsurt. BGHZ 175, 207 = FamRZ 2008, 761 Rn 18 m.w.N.). Seine Entscheidung kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (st. Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsurt. v. 9.2.2011 – XII ZR 40/09, FamRZ 2011, 622 Rn 16 und v. 8.9.2004 – XII ZR 194/01, FamRZ 2005, 99, 100). Das ist nicht der Fall.
[25] bb) Wie die Revision zutreffend ausführt, handelt es sich bei dem Umsatzwertverfahren um eine Bruttomethode, die an sich den Abzug von Kosten nicht vorsieht. Allerdings sind Wertkorrekturen, wie sie der Sachverständige C. auch im vorliegenden Fall für angemessen gehalten hat, nicht ausgeschlossen. Sie können etwa in einer Ausgliederung von Umsatzteilen bestehen, die rein personengebunden und deshalb nicht auf einen Nachfolger übertragbar oder aus anderen Gründen in Zukunft nicht mehr zu erwarten sind. Mit Rücksicht hierauf hat der Sachverständige wegen personengebundener Mandate von dem ermittelten durchschnittlichen Umsatzwert einen Betrag von 25.000 EUR in Abzug gebracht. Darüber hinaus wird regelmäßig die Ermittlung regionaler, unternehmensspezifischer und marktmäßiger Besonderheiten für erforderlich gehalten (vgl. Barthel, DB 1996, 149, 161). Die Annahme des Berufungsgerichts, das Umsatzwertverfahren erlaube es methodisch nicht, einen Unternehmerlohn abzusetzen, ist damit nicht zu vereinbaren (vgl. auch die von der Bundesärztekammer herausgegebenen Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen, abgedr. bei Schröder, Bewertungen im Zugewinnausgleich, Rn 175 unter D).
[26] cc) Gleichwohl ist die Auswahl der Bewertungsmethode revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat hat es für die Bewertung der Praxis eines Freiberuflers für sachgerecht erachtet, wenn eine Bewertungsmethode herangezogen worden ist, die von einer zuständigen Standesorganisation empfohlen und verbreitet angewendet wird (Senatsurt., BGHZ 175, 207 = FamRZ 200...