BGB § 1603 § 1610; SGB XII § 94
Leitsatz
1. Der Unterhaltsbedarf eines im Pflegeheim untergebrachten Elternteils richtet sich regelmäßig nach den notwendigen Heimkosten zuzüglich eines Barbetrags für die Bedürfnisse des täglichen Lebens. Ist der Elternteil im Alter sozialhilfebedürftig geworden, beschränkt sich sein angemessener Lebensbedarf in der Regel auf das Existenzminimum und damit verbunden auf eine – dem Unterhaltsberechtigten zumutbare – einfache und kostengünstige Heimunterbringung (im Anschluss an Senatsurt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860).
2. Dem Unterhaltspflichtigen obliegt es in der Regel, die Notwendigkeit der Heimkosten substanziiert zu bestreiten (im Anschluss an Senatsurt. v. 23.10.2002 – XII ZR 266/99, BGHZ 152, 217 = FamRZ 2002, 1698). Kommt er dem nach, trifft die Beweislast den Unterhaltsberechtigten und im Fall des sozialhilferechtlichen Anspruchsübergangs den Sozialhilfeträger (im Anschluss an Senatsurteil vom 27.11.2002 – XII ZR 295/00, FamRZ 2003, 444).
3. Ausnahmsweise können auch höhere als die notwendigen Kosten als Unterhaltsbedarf geltend gemacht werden, wenn dem Elternteil die Wahl einer kostengünstigeren Heimunterbringung im Einzelfall nicht zumutbar war. Zudem kann sich der Einwand des Unterhaltspflichtigen, es habe eine kostengünstigere Unterbringungsmöglichkeit bestanden, im Einzelfall als treuwidrig erweisen.
4. Verwertbares Vermögen eines Unterhaltspflichtigen, der selbst bereits die Regelaltersgrenze erreicht hat, kann in der Weise für den Elternunterhalt eingesetzt werden, als dieses in eine an der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen orientierte Monatsrente umgerechnet und dessen Leistungsfähigkeit aufgrund des so ermittelten (Gesamt-)Einkommens nach den für den Einkommenseinsatz geltenden Grundsätzen bemessen wird.
BGH, Urt. v. 21.11.2012 – XII ZR 150/10 (OLG Düsseldorf, AG Wesel)
Anmerkung
Anm. der Red.: Die Entscheidung ist abgedruckt in FamRZ 2013, 203 m. Anm. Hauß, S. 206.
2 Anmerkung
Die Entscheidung greift Teilbereiche zu Fragen des Elternunterhalts auf, die im Rahmen der relativ gefestigten Rechtsprechung des BGH noch nicht abschließend geklärt sind.
1. Behandelt wird zunächst die Frage der Anerkennung der Kosten der jeweiligen Heimunterbringung, insbesondere im Hinblick auf die Qualität des Heimes. Die Vorinstanz hatte hierzu ausgeführt, dass trotz der Einwendungen des Verpflichteten in Bezug auf die Höhe der Heimkosten dem Kostenträger kein "Auswahlverschulden" anzulasten sei. Die Entscheidung stellt klar, dass hier zunächst ein substanziiertes Bestreiten des Pflichtigen zu verlangen ist. Gleichzeitig folge aus der sozialhilferechtlichen Anerkennung der Kosten nicht zwingend auch deren unterhaltsrechtliche Notwendigkeit, insbesondere können sozialrechtlich oder unterhaltsrechtlich anzuerkennende Kosten voneinander abweichen. In Bezug auf die Lebensstellung des Elternteils ist auf die aktuelle Lebenssituation zum Zeitpunkt der Bedürftigkeit abzustellen. Hieraus folgt eine Beschränkung des angemessenen Lebensbedarfs auf das Existenzminimum und damit verbunden auf eine ihm zumutbare einfache und kostengünstige Heimunterbringung. Sofern der Pflichtige im Rahmen seines Bestreitens dargelegt hat, dass monatlich ein rund 98,00 EUR geringerer Betrag des von ihm vorgeschlagenen Alternativheims zu verzeichnen ist, liegt damit ein ausreichend substanziiertes Bestreiten der Notwendigkeit der Heimkosten der Höhe nach vor. Hierdurch werde auch keine Risikoverlagerung auf den öffentlichen Leistungsträger vorgenommen. Ein Betrag von 98,00 EUR monatlich sei darüber hinaus auch nicht als geringfügig anzusehen. Insoweit komme es auch nicht auf die Frage eines "Auswahlverschuldens" an, da im Rahmen von § 1610 Abs. 1 BGB ausschließlich auf die Notwendigkeit der Kosten abzustellen ist. Ebenso komme es hierbei auch nicht darauf an, ob der Pflichtige sich an der Suche nach einem Heimplatz beteiligt hat. Diese klarstellenden Ausführungen des BGH sind ausdrücklich zu begrüßen.
2. Streitig ist häufig der sogenannte Barbetrag (Taschengeld). In der Entscheidung des OLG Düsseldorf wurde hierzu ausgeführt, dass ein Anteil von 300,00 EUR der Rente der Berechtigten, der auf "Leistungen für die Kindererziehung" zurückzuführen ist, diesen Barbetrag decken würde, so dass dieser nicht gesondert geschuldet ist. Hier stellt der BGH nochmals klar, dass der Barbetrag als unterhaltsrechtlicher Bedarf anzuerkennen ist, um Aufwendungen für Körper- und Kleiderpflege, Zeitschriften, sonstige Kleinigkeiten des täglichen Lebens etc. zu finanzieren (st. Rspr.). Ob der Berechtigte diesen Barbetrag durch sonstiges eigenes Einkommen decken kann, ist darüber hinausgehend eine Frage, die erst im Rahmen der Bedürftigkeit nach § 1602 Abs. 1 BGB zu entscheiden ist. Von Bedeutung ist jedoch, dass die Vorinstanz zu Unrecht den Rentenanteil von ca. 300,00 EUR für Kindererziehungsleistungen nicht im Rahmen des Einkommens der Berechtigten berücksichtigt hat. Hierzu stellt der BGH zutreffend klar, dass Leistungen für die Kind...