1. Im Bezugszeitraum von Elterngeld
Bislang nicht dargestellt ist die Situation bezüglich nicht privilegiert volljähriger Kinder, wenn ein Elternteil ein weiteres Kind bekommt und sich für den Bezug von Elterngeld entscheidet. Für das Kind stellt sich die Frage, ob es die Rollenwahl des Elterngeld beziehenden, unterhaltspflichtigen Elternteils zu akzeptieren hat und daher möglicherweise keinen Anspruch mehr auf Kindesunterhalt hat, sofern das dann noch vorhandene Einkommen nicht genügt, um den Unterhaltsanspruch zu befriedigen.
Hierfür spricht, dass der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gemäß § 1609 Nr. 4 BGB nachrangig ist. Selbst im Verhältnis zu den unterhaltsberechtigten Ehegatten gelten die Ausführungen unter I. bis III. nicht, da diese Kinder (§ 1609 Nr. 4 BGB) im Rang nach den Ehegatten (§§ 1609 Nr. 2 oder 3 BGB) sind. Maßgeblich ist dann nur das durch Elterngeld bezogene Einkommen.
2. Nach dem Bezugszeitraum von Elterngeld
Das volljährige Kind hat die Rollenwahl des Ehegatten in der neuen Ehe zumindest insoweit zu akzeptieren, als dieser sich während der ersten drei Lebensjahre um das Kind aus der neuen Ehe kümmert (umstritten – a.A. wohl Klinkhammer, der immer eine konkrete Einzelfallabwägung vornimmt).
Hat das jüngste zu betreuende Kind das dritte Lebensjahr erreicht, wird in Anlehnung an die Grundsätze der §§ 1570 Abs. 1, 1615l BGB eine teilweise Erwerbstätigkeit zu erwarten sein.
3. Haftungsquoten der Eltern für den Kindesunterhalt
Sind auch noch minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder vorhanden, so sind diese stets vorab zu befriedigen (§ 1609 Nr. 1 BGB). Gleiches gilt ggf. für vorrangige Ehegattenunterhaltsansprüche (§§ 1609 Nr. 2 und 3 BGB).
Mit der Konstellation von zwei volljährigen Kindern bei zwei verschiedenen Müttern hat sich Gutdeutsch (FamRZ 2006, 1724 ff.) befasst.
Es soll nur ein kurzer Beispielsfall (nach Gutdeutsch) dargestellt werden:
Sachverhalt:
Zwei auswärtig wohnende Studenten A und B sind Halbgeschwister. Der gemeinsame Vater V verdient 3.400 EUR, Mutter von A, M 1, verdient 1.600 EUR, die Mutter von B, M 2, 1.900 EUR. M 1 und M 2 beziehen jeweils Kindergeld. Der Bedarf der Studenten ist jeweils 735 EUR abzüglich Kindergeld (192 EUR) = 543 EUR, bei einem Selbstbehalt der Elternteile von 1.300 EUR.
Lösung 1:
Wird die gleichrangige weitere Unterhaltspflicht bei der Verteilungsrechnung nicht berücksichtigt, dann trägt V:
Vom Unterhalt des A: 543 EUR x (3.400 EUR – 1.300 EUR) : ((3.400 EUR + 1.600 EUR) – 2.600 EUR) = 475 EUR
Vom Unterhalt des B: 543 EUR x (3.400 EUR – 1.300 EUR) : ((3.400 EUR + 1.900 EUR) – 2.600 EUR) = 422 EUR
Ihm bleiben: 3.400 EUR – 475 EUR – 422 EUR = 2.503 EUR
M 1 trägt 543 EUR – 475 EUR = 68 EUR, ihr bleiben 1.600 EUR – 68 EUR = 1.532 EUR.
M 2 trägt 543 EUR – 422 EUR = 121 EUR, ihr bleiben 1.900 EUR – 121 EUR = 1.779 EUR.
Berücksichtigt man, dass die beiden Unterhaltsansprüche gleichwertig sind, würde die obige Rechnung den V unangemessen belasten.
Lösung 2:
Daher schlägt Gutdeutsch vor, beim einzusetzenden Einkommen des V einmal den Kindesunterhalt vorab abzuziehen.
Der V kann daher einsetzen: 3.400 EUR – 543 EUR = 2.857 EUR
Vom Unterhalt des A: 543 EUR x (2.857 EUR- 1.300 EUR) : ((2.857 EUR + 1.600 EUR) – 2.600 EUR) = 455 EUR
Vom Unterhalt des B: 543 EUR x (2.857 EUR – 1.300 EUR) : ((2.857 EUR+ 1.900 EUR) – 2.600 EUR) = 392 EUR
Ihm bleiben: 3.400 EUR – 455 EUR – 392 EUR = 2.553 EUR
M 1 trägt 543 EUR – 455 EUR = 88 EUR, ihr bleiben 1.600 EUR – 88 EUR = 1.512 EUR.
M 2 trägt 543 EUR – 392 EUR = 151 EUR, ihr bleiben 1.900 EUR – 151 EUR = 1.749 EUR.
Weitere Beispiele, siehe Gutdeutsch FamRZ 2006, 1724 ff.