Wenn in § 72a und § 119a GVG vorgesehen ist, dass "ein oder mehrere" Zivilkammern bzw. -senate gebildet werden, so ist – zumindest für das Erbrecht – sicherzustellen, dass nicht einzelne Spruchkörper für das FamFG, andere für das streitige Verfahren zuständig sind. Es sollte vielmehr gewährleistet werden, dass bei den Oberlandesgerichten derselbe Senat für Beschwerden in FamFG-Verfahren und für Berufungen in streitigen Verfahren zuständig wird. Dies sicherte die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und verhinderte widersprechende Urteile bzw. Beschlüsse.
Hierdurch würden Kosten eingespart, weil die Neigung der im Erbscheinsverfahren in letzter Instanz unterliegenden Partei, weitere (bis zu drei) Instanzen im streitigen Verfahren zu durchlaufen, abnehmen würde (sofern nicht das Nebeneinander der Verfahren abgeschafft würde, siehe dazu unter 4.).
3. Erstreckung auf die Amtsgerichte zumindest im Erbrecht
Im Erbrecht sollte die Spezialisierung auch auf die Amtsgerichte ausgeweitet werden. Die Amtsgerichte sind streitwertunabhängig in FamFG-Sachen (wie dem Erbscheinsverfahren) als Nachlassgerichte tätig und streitwertabhängig in erster Instanz für streitige Erbsachen (wie etwa im Erbprätendenten- oder Pflichtteilsstreit). Gleichwohl werden – anders als im Familien- oder Betreuungsrecht (hier: §§ 23b, 23c FamFG) – keine Spezialabteilungen für Erbsachen gebildet, obwohl die Nachlassgerichte etwa in Erbscheinsverfahren entscheiden, die Nachlässe von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung betreffen – weit über der Zuständigkeitsstreitwertgrenze von 5.000,00 EUR.
Der Problematik, dass bei einzelnen Amtsgerichten im Hinblick auf die geringen Fallzahlen im Erbrecht die Einrichtung von Spezialzuständigkeiten nicht sinnvoll erscheinen dürfte, kann dadurch begegnet werden, dass die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsstreitigkeiten an ausgesuchten Amtsgerichten zu konzentrieren. Diese Möglichkeit sieht der Entwurf bereits in § 13a GVG RegE vor.
4. Langfristiges Ziel: Großes Nachlassgericht
Die Einbeziehung des Erbrechts in den Katalog der Spezialisierungen ist zu begrüßen und notwendig. Im Erbrecht bleibt aber die Einrichtung eines "Großen Nachlassgerichts" das anzustrebende Ziel. Die Spezialisierung änderte nichts daran, dass es im Erbrecht drei mögliche Eingangsinstanzen, unterschiedliche Instanzenzüge und drei grundsätzlich voneinander unabhängige Verfahren (FamFG, Verfahren zum europäischen Nachlasszeugnis und ZPO-Verfahren) mit z.T. gleichem Prüfungsstoff und gleichwohl widersprüchlichen und nicht miteinander zu vereinbarenden Ergebnissen gibt. Insoweit verweist der DAV auf seine DAV-Initiativstellungnahme Nr. 51/2017.